SSRI: Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (Screenshot Google Bildersuche)

SSRI gegen Angststörungen und Depressionen

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehmmer (SSRI) und ähnliche Mittel in der Therapie von Angst und depressiven Episoden

Serotonin-Wiederaufnahmehemmer sollen Depressionen und Angstzustände mildern, indem sie die Wiederaufnahme von Serotonin durch die Nervenzellen verhindern und so dafür sorgen, dass der Botenstoff möglichst lange im Gehirn verbleibt und dort seine Wirkung (für „emotionales Wohlbefinden“) entfalten kann.

Wichtige Fachbegriffe im Überblick

Um den Einstieg in die Thematik der SSRI zu erleichtern, ist es sinnvoll, sich mit der Fachterminologie vertraut zu machen:

  • Synapse: Verknüpfung zwischen einem Neuron (Nervenzelle) und einer anderen Zelle.
  • Axon: Schlauchartiger Fortsatz der Nervenzelle, der im eigentlichen Signalgeber, der präsynaptischen Endigung, endet.
  • Dendrit: Postsynaptische mit Rezeptoren ausgestattete Region einer Nervenzelle, die Signale empfängt.
  • Synaptischer Spalt: Raum zwischen Endigung des Axons und dem Dendrit.
  • Neurotransmitter: Botenstoffe, die Signale an Synapsen von einer Nervenzelle auf eine andere übertragen, indem sie den Synaptischen Spalt überwinden.
  • Serotonin: Der landläufig als „Glückshormon“ bekannte Neurotransmitter erfüllt im Körper eine Vielzahl von Funktionen in Herzkreislaufsystem, Zentralem Nervensystem, Magen-Darm-Trakt und Auge; siehe Serotonin Wirkung. Im Zentralen Nervensystem ist es vor allem für die Steuerung von Schlaf, Temperaturregulation, Schmerz und Stimmung verantwortlich. Da Serotonin die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann, muss es stets vor Ort in den Zellen gebildet werden.
  • Noradrenalin: Im menschlichen Körper aus Dopamin und einem Enzym synthetisierter Neurotransmitter, der Aufmerksamkeit und Wachheitsgrad steuert.
  • SSRI: Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer; die Abkürzung geht aus dem englischen Namen hervor: Selective Serotonin Reuptake Inhibitor
  • NRI: Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer; Abkürzung steht auch hierbei für die englische Bezeichnung: Noradrenaline-Reuptake-Inhibitor
  • SNRI: Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer bzw. Serotonin-Noradrenaline-Reuptake-Inhibitor

Anwendungsgebiete und Wirkung

SSRI, NRI und SNRI werden vor allem bei Depressionen und Angststörungen verschrieben.

SSRI wie Paroxetin, Citalopram, Fluoxetin und Fluvoxamin wirken antriebssteigernd und angstlösend, weshalb sie häufig auch bei Generalisierten Angststörungen zur Anwendung kommen. NRI wie Reboxetin und SNRI wie Venlafaxin wirken hingegen antriebshemmend. Darüber hinaus haben manche SSRI-Präparate wie etwa Duloxetin eine schmerzdistanzierende Wirkung und werden folglich auch Patienten mit chronischen Schmerzen verschrieben.

Antidepressiva sind keine Bedarfsmedikationen, die akut ihre Wirkung entfalten. Sie müssen zunächst über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen regelmäßig eingenommen worden sein, damit der Spiegel des Wirkstoffs im Körper hoch genug ist, ehe eine spürbare Verbesserung eintritt. Ferner müssen sie auch dann weiterhin kontinuierlich eingenommen werden.

SSRI: Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (Screenshot Google Bildersuche)
SSRI: Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (Screenshot Google Bildersuche)

Wirkungsweise

Obgleich Depressionen als psychische Störung eingestuft werden (siehe psychisch krank), gilt es als gesichert, dass eine gestörte Signalübertragung der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin ein wesentlicher Faktor ist, wenn Menschen unter Depressionen leiden. Hier setzen Wiederaufnahmehemmer an, indem sie dem Mangel an Serotonin oder Noradrenalin im Gehirn entgegenwirken und verhindern, dass der Neurotransmitter bei der Übertragung der Informationen zu schnell wieder vom Axon aufgenommen wird.

Zu unterscheiden sind hierbei drei Arten von Antidepressiva, die als Wiederaufnahmehemmer funktionieren:

  1. SSRI erhöhen die Konzentration von Serotonin in der Gewebeflüssigkeit des Gehirns.
  2. NRI regulieren die Wiederaufnahme von Noradrenalin.
  3. SNRI verbinden die Wirkungsweisen von SSRI und NRI.

Um Befehle innerhalb des Nervensystems weiterzugeben, muss ein Neuron an einer Synapse Botenstoffe an ein anderes Neuron entsenden, welches seinerseits ebenfalls Botenstoffe an die übernächste Nervenzelle weitergibt. Diese Neurotransmitter werden vom Axon ausgeschüttet und überwinden den Synaptischen Spalt, wo sie auf Rezeptoren am Dendrit der anderen Zelle treffen. Die Botenstoffe werden vom anderen Neuron allerdings nicht aufgenommen, sondern fließen in den Axon zurück. Bei Menschen, die unter Depressionen leiden, liegen entweder zu wenig Serotonin und/oder Noradrenalin im Axon vor oder werden nach der Ausschüttung zu schnell wiederaufgenommen, was von den Wiederaufnahmehemmern unterbunden werden soll.

Nebenwirkungen

Das vielleicht beste Argument, das im Vergleich zu den älteren trizyklischen Antidepressiva (vgl. u.a. Opipramol) für SSRI-Präparate spricht, sind die verhältnismäßig geringen bzw. großteils vertretbaren Nebenwirkungen (siehe unseren Artikel Nebenwirkungen von Antidepressiva). Zwar treten wie bei vielen Medikamenten zu Beginn der Therapie gelegentlich Unverträglichkeitsreaktionen des Verdauungsapparats wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder auch Verstopfungen auf, doch liegen diese meist darin begründet, dass dem Körper eine ihm fremde Substanz zugeführt wird. Im Regelfall geben sich diese Symptome binnen weniger Tage.

Die am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen bei SSRI-Präparaten sind vor allem ausgetrocknete Schleimhäute und eine Anregung des Appetits, die folglich nicht selten zu Gewichtszunahme führt. Bei einigen Präparaten wie etwa Reboxetin (NRI), Fluvoxamin (SSRI) oder Paroxetin (SSRI) zählt oft auch Schwindel zu den Nebenwirkungen. Vermehrtes Schwitzen tritt vor allem bei den SSRI Paroxetin und Trazodon auf. Während Paroxetin schläfrig machen kann, ist bei Reboxetin das Gegenteil der Fall: Schlaflosigkeit tritt bei diesem NRI hin und wieder als Nebenwirkung auf.

Wie bei allen Antidepressiva zählt eine Verminderung des Sexualtriebs zu den häufigsten Nebenwirkungen. Bei Männern können zudem – insbesondere bei Reboxetin – Erektionsstörungen eine Nebenwirkung der Einnahme von Wiederaufnahmehemmern sein.

Hinweise zu Fehl- und Überdosierung

Absetzen ohne Absprache mit dem Arzt

Es ist ausdrücklich davon abzuraten, eine Behandlung mit SSRI eigenmächtig und ohne Absprache mit dem behandelnden Arzt zu beenden. Zwar können Nebenwirkungen dazu verleiten, die Behandlung einfach abzubrechen, doch kann dies zu Kreislaufstörungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und anderen Beschwerden führen (vgl. auch Opipramol absetzen Entzugserscheinungen). Deshalb sollte der Patient stets zuerst den behandelnden Arzt konsultieren, bevor er zu nächstbesten Schlaftablette greift. Einzig bei Nebenwirkungen, die zu Beginn der Therapie wegen Unverträglichkeiten auftreten, kann der Patient, ohne ärztlichen Rat einzuholen, die Behandlung abbrechen, sollte aber nachträglich Rücksprache mit seinem Arzt halten.

Serotonin-Syndrom

Durch Überdosierung von Wiederaufnahmehemmern oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kann es zu einem Überschuss von Serotonin im Synaptischen Spalt kommen. Mögliche Folgen dieses Serotonin-Syndroms sind Angstzustände, Agitiertheit (siehe agitiert depressiv), Ruhelosigkeit, Desorientierung, Verwirrtheit, Schwitzen, Herzrasen, Bluthochdruck, Erbrechen, Durchfall, Muskelstarre, Muskelzuckungen und Hyperreflexie. In seltenen Fällen kann das Serotonin-Syndrom sogar zum Tod führen.

Zulassung für Kinder und Jugendliche

Da Zulassungen für Minderjährige die Pharmaunternehmen zusätzliche Forschungsgelder kosten würden, rechnet sich die Zulassung aus wirtschaftlicher Sicht nicht. Deshalb ist derzeit Fluoxetin das einzige für Patienten ab acht Jahren zugelassene Präparat auf dem Markt. Siehe auch: Angstzustände bei Kindern.

Kritische Betrachtungsweise

Die Häufigkeit, in der SSRI, NRI und SNRI als Antidepressiva verschrieben werden, hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen, obgleich nicht abschließend erforscht ist, wie wirksam sie tatsächlich sind. Das liegt vor allem daran, dass bei einer psychischen Störung wie Depressionen oder Angstzuständen schwerlich mit absoluter Sicherheit verifiziert werden kann, wie sehr sich die Verfassung des Patienten, der die Medikamente einnimmt, von der unterscheiden würde, die der Patient hätte, wenn er sie nicht einnehmen würde. Fälle, bei denen die Verbesserung nämlich so drastisch ist, dass man sie klar der Einnahme der Antidepressiva zuordnen könnte, bilden eher die Ausnahme. Die meisten Patienten erfahren vielmehr eine Linderung der Beschwerden, die – wie man aufgrund von Studien annehmen muss – zwar mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Medikamente zurückzuführen sind, allerdings nicht immer mit absoluter Bestimmtheit.

Man sollte allerdings aus der Tatsache, dass Wiederaufnahmehemmer häufiger verschrieben werden als früher, nicht den eilfertigen Trugschluss ziehen, die Medikamente würden leichtfertiger verordnet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Depressionen und Angststörungen sowohl immer mehr Menschen betreffen als auch weit öfter diagnostiziert werden als noch vor 20 Jahren.

Quellen und Links

Ängste, Phobien, Panikattacken > Angststörungen und Angsterkrankungen