Psychotherapie - so lange wie nötig und so kurz wie möglich (© Microgen / stock.adobe.com)

Psychotherapie – so lange wie nötig und so kurz wie möglich

Hinsichtlich der Dauer einer psychotherapeutischen Behandlung von Angststörungen kann man im Vorfeld nur schwer eine Prognose abgeben. Zum einen hängt es davon ab, um welche Angststörung es sich handelt, ob komplexe Kombinationen von Angststörungen vorliegen (Komorbiditäten), zum anderen kommt es auch auf die Zielvereinbarung zwischen Patient und Therapeut an: Wer etwas gegen seine Prüfungsangst unternehmen möchte, hat sein Ziel, angstfrei in eine Prüfung zu gehen, voraussichtlich schnell erreicht. Bei der Behandlung der Prüfungsangst kann sich aber auch herausstellen, dass eine komplexe soziale Angststörung dahintersteckt, sodass die Zielgerade erst nach wesentlich mehr Sitzungen erreicht werden kann.

Die psychotherapeutische Behandlung von Angststörungen hat nicht den Sinn, den Patienten lange an den Therapeuten zu binden. Faustregel: So lange wie nötig und so kurz wie möglich. Das bedeutet, sobald der Patient seine Angststörung in den Griff bekommen hat, ist die psychotherapeutische Behandlung beendet.

Verhaltenstherapien funktionieren meist recht effektiv (vgl. Verhaltenstherapie Methoden) und werden daher mit 20 bis 80 Stunden zu den Kurztherapien in der Behandlung von psychischen Störungen gezählt. Eine erfolgreiche Angstbewältigungstherapie dauert meist nicht länger als 15 bis 50 Stunden (siehe Angstbewältigung), eine spezifische Phobie kann mittels einer Konfrontationstherapie aber auch bereits nach wenigen Stunden ausgelöscht sein. Die psychotherapeutische Behandlung einer Angststörung in Kombination mit chronischen Erkrankung wie z. B. einer Schizophrenie kann hingegen ein langjähriges Unterfangen werden.

Psychotherapie bei Panikattacken

Mit den Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie lernt der Angstpatient, dass seine als lebensbedrohlich empfundenen Angstattacken keinesfalls mit der Realität übereinstimmen und es sich hierbei vielmehr um einen falschen Alarm handelt (siehe Angstattacke). Er lernt, dass Herzrasen nicht gleichbedeutend mit einem drohenden Herzinfarkt ist, sondern Ausdruck einer normalen Reaktion auf körperliche Anstrengung, dass Schwindel nicht zwangsläufig zu einem Kollaps führen muss, sondern dass es sich höchstwahrscheinlich um Verspannungen handelt, denen er mit mehr Bewegung entgegenwirken kann.

Spezielle Übungen ermöglichen es dem Patienten, sich an die Symptome einer Panikattacke zu gewöhnen und sie nicht mehr als bedrohlich zu empfinden (z. B. Pulsrasen bei sportlichen Aktivitäten). Auch mentales Training kann helfen, Panikattacken in den Griff zu bekommen, indem die letzten Angstattacken nochmals durchlebt und analysiert werden. Die Konfrontationstherapie kann Abhilfe bringen, indem in Begleitung des Therapeuten beispielsweise U-Bahn-Fahren geübt oder ein Einkaufszentrum besucht wird.

Psychotherapie bei Agoraphobie

Mit psychotherapeutischer Unterstützung lernt der Patient zu erkennen, dass fehlerhafte Einschätzungen der Grund für seine Agoraphobie und sein Vermeidungsverhalten sind. So lernt er, seine negativen Denkmuster („Der Weg zum Supermarkt ist gefährlich!“) durch positive Einschätzungen zu verändern („Ich bin jetzt 10-mal zum Supermarkt gegangen und mir ist nichts passiert!“) (vgl. negative Gedanken loswerden).

Sehr effektiv ist bei der Agoraphobie die Konfrontationstherapie, indem der Patient sich zunächst in Begleitung des Therapeuten, später auch alleine, bewusst den angstbesetzten Situationen aussetzt und feststellen muss, dass er z. B. der Angst im Supermarkt oder während einer U-Bahn-Fahrt standhalten kann, er nicht flüchten muss und schließlich feststellen muss, dass weder von Supermarkt noch von U-Bahn eine Gefahr ausgeht. In der Regel machen die Patienten mit einer Agoraphobie unter der Konfrontationstherapie sehr schnelle Fortschritte, sodass das Thema Angst für die meisten Betroffenen bereits nach wenigen Behandlungsstunden erledigt ist (vgl. Agoraphobie mit Panikstörung Behandlung).

Psychotherapie bei spezifischer Phobie

Nicht alle spezifischen Phobien haben einen Krankheitswert (siehe: bin ich psychisch krank ?!), so dass Betroffene nur selten psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Wer hierzulande an einer Schlangenphobie leidet und nicht gerade vorhat, in den afrikanischen Busch oder das australische Outback auszuwandern, wird kaum einen Psychotherapeuten benötigen.

Anders sieht das aus, wenn dem furchterregenden Stimulus häufiger begegnet werden kann und z.B. eine Hundephobie den Weg zur Arbeit zu einem Problem werden lässt oder eine Flugangst bei der Wahrnehmung beruflicher Termine hinderlich ist und zum Unmut von Partner und Familie die Wahl des Urlaubsortes einschränkt. In diesen Fällen hilft wiederum die Konfrontationstherapie, bei der der Betroffene mit therapeutischer Unterstützung schrittweise an den angsterregenden Stimulus herangeführt wird und mit großer Wahrscheinlichkeit innerhalb weniger Therapiestunden desensibilisiert sein wird. Bei der Hunde-Phobie würde man dem Patienten zunächst Fotos von Hunden vorlegen, die er sich anschauen muss, bevor es im Feldversuch darum geht, sich langsam einem Hund zu nähern. Der Patient lernt dadurch, das seine Angst vor Hunden unbegründet ist und kann schließlich wagen, den Hund auch zu berühren, ihn zu streicheln und seine Ohren zu knuddeln.

Gegen Flugangst helfen sogenannte Flugseminare (siehe Flugangst Seminar), die beispielsweise von der Lufthansa® Deutschland angeboten werden und über die man sich hier informieren kann: www.flugangst.de

Psychotherapie bei sozialer Phobie

Gegen die soziale Phobie werden überwiegend Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie eingesetzt, mit dem Ziel, die sozialen Kompetenzen des Patienten zu stärken (vgl. Sozialkompetenz trainieren). Dazu muss der Patient zunächst in Einzelsitzungen lernen, seine negativen Selbsteinschätzungen als unrealistisch zu erkennen und dass er – wie jeder andere Mensch auch – über individuelle Fähigkeiten und Stärken verfügt.

Im nächsten Schritt werden praktische Übungen in einer Gruppentherapie durchgeführt (siehe Gruppentherapie / Gruppenpsychotherapie), an der mehrere Patienten mit einer sozialen Phobie teilnehmen. Hilfreich können Rollenspiele sein, in denen Alltagssituationen geprobt werden und Betroffene lernen, dass ihre phobischen Ängste im Umgang mit Mitmenschen unbegründet und unrealistisch sind.

Im dritten Schritt wird das erlernte Umdenken hinsichtlich Angst auslösender Situationen in die Praxis umgesetzt, indem der Betroffene z.B. in ein Geschäft geht und sich von einem Verkäufer über einen bestimmten Artikel beraten lässt und über die Vor- und Nachteile eines alternativen Artikels diskutiert. Gelegentlich werden auch sog. Blamierübungen durchgeführt, indem der Patient laut singend in einem Bus fährt und er feststellen wird, das man ihn vielleicht neugierig anschaut, aber nicht wirklich etwas Ernstes mit ihm passieren wird.

Psychotherapie bei generalisierter Angststörung

Auch bei der generalisierten Angststörung (siehe generalisierte Angst) werden zunehmend kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungstechniken eingesetzt. Hierbei lernt der aufgrund seiner generalisierten Angst permanent unter Strom stehende Patient, seine vegetative Übererregbarkeit durch Entspannungstechniken zu reduzieren (-> Entspannungsübung) und seine Aufmerksamkeit nicht ausschließlich auf vermeintlich bedrohliche Reize zu richten.

In Gesprächen mit dem Therapeuten wird er erkennen, dass seine Ängste unrealistisch und somit unbegründet sind. Dazu gehört auch das Erlernen von Techniken, mit denen er in angstbesetzten Situationen erkennen kann, dass seine Gedanken und Gefühle situativ unangepasst und verzerrt sind, wodurch sich auch das bei der generalisierten Angststörung häufige Vermeidungsverhalten reduzieren lässt.

Psychotherapie bei Zwangsstörungen

Die psychotherapeutische Behandlung von Zwangsstörungen bedient sich ebenfalls verhaltenstherapeutischer Techniken, kann sich jedoch zeitaufwendiger gestalten als die Behandlung reiner Angststörungen, da die Entstehung von Zwangsstörungen häufig sehr verzwickt ist. Die Therapie verläuft für gewöhnlich klar strukturiert in mehreren Phasen ab.

  • Phase I: Anfangsphase Nach der Erfassung der Zwangsgedanken /  Zwangsrituale wird dem Patienten erklärt, dass seine Rituale einzig und allein dazu dienen, Angstgefühle zu unterdrücken. Selbstbeobachtungsprotokolle können dem Patienten dabei helfen zu verstehen, was in ihm passiert, wenn er seinem Zwangsritual nachkommt oder aber auch versucht, das Ritual zu unterdrücken. In der Regel wird während der ersten Therapiesitzungen auch die lebensgeschichtliche Entwicklung des Patienten besprochen.
  • Phase II: Vorbereitung der Konfrontationstherapie In nächsten Schritt muss der Patient eine Rangfolge seiner Ängste aufstellen, die er mit Zwangsritualen unterdrückt und gemeinsam mit dem Therapeuten einen Plan für Expositionsübungen erstellen.
  • Phase III: Konfrontationstherapie In therapeutengeleiteten Übungen muss der Patient sich nun bewusst den angstbesetzten Situationen aussetzen. Beim Waschzwang aus Furcht vor Krankheitserregern (vgl. Angst vor Krankheiten) könnte das das Berühren einer Türklinke sein, ohne dass diese vorher vom Betroffenen desinfiziert werden und ohne dass er sich hinterher seinen Waschritualen hingeben darf.
  • Phase IV: Gedankliche Umstrukturierung Die Expositionsübung wird mit dem Patienten besprochen. Dabei soll er erkennen, dass ohne seine Zwangsrituale zwar Angstgefühle auftreten, er diesen jedoch standhalten kann, nichts weiter passieren wird und seine Rituale eigentlich überflüssig sind. Als Hausaufgabe muss er nun selbständig weitere Expositionsübungen durchführen, auch Experimente unternehmen, die ihn davon überzeugen, dass von der Berührung einer Türklinke keine reale Gefahr ausgeht. Dazu gehört beispielsweise, das Türklinken nicht nur um häuslichen Umfeld berührt werden, sondern auch in öffentlichen Gebäuden.
  • Phase V: Rückfallprophylaxe Auch wenn der Abbau der Zwangsrituale durch Umdenken geglückt sein sollte, besteht weiterhin eine gewisse Rückfallgefahr. Zum Abschluss der psychotherapeutischen Behandlung werden daher die bisher erlernten Strategien vertieft und der Patient auf mögliche Rückfallsituationen vorbereitet, um der Wiederaufnahme von Zwangsritualen widerstehen zu können.

YOUTUBE: Zwangsstörung – Einführung in Zwänge und Zwangsgedanken
Was sind Zwänge? Woher stammen diese? Welche therapeutischen Ansätze gibt es? Zwei Dozenten des IKVT (Instituts für kognitive Verhaltenstherapie), Götz Müller und Heike Born referieren über das Thema. (www.youtube.com/watch?v=lMZOhh-w880)

Psychotherapie bei posttraumatischer Belastungsstörung

Bei posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) wird vornehmlich die kognitive Verhaltenstherapie eingesetzt. Neben der Aufklärung des Patienten über Zusammenhänge von Erlebnis, Symptombildung, Denk- und Verhaltensweisen steht vor allem die anhaltende Exposition mit Erinnerungen an das traumatische Erlebnis sowie das Überprüfen von Denk-, Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster im Vordergrund. Die einzelnen Schritte sind:

  • Reduktion der vegetativen Übererregbarkeit: Entspannungstechniken, besserer Umgang mit neuen belastenden Ereignissen,
  • Reduktion der belastenden Erinnerungen: Rekonstruktion des Traumas (= Exposition) durch Therapeutengespräche, Emotionen freien Lauf lassen,
  • Überwindung des Vermeidungsverhaltes: z B. Aufsuchen des Unfallortes gemeinsam mit dem Therapeuten,
  • Auslöschen negativer Denkmuster durch Überprüfen auf Realitätssinn („Umdenken“),
  • Bearbeitung von Folgeproblemen wie Schlafstörungen,
  • Aktivierung von Stärken, individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Psychotherapie - so lange wie nötig und so kurz wie möglich (© Microgen / stock.adobe.com)
Psychotherapie – so lange wie nötig und so kurz wie möglich (© Microgen / stock.adobe.com)

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