Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (TFP / transference-focused psychotherapy) (© Good Studio / stock.adobe.com)

Erklärt: Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (TFP)

Wenn über die Übertragungs-fokussierte Psychotherapie gesprochen wird, muss automatisch über Sigmund Freud geredet werden. Der österreichische Psychoanalyse-Erfinder hat den Begriff der „Übertragung“ nämlich entwickelt. Sein Kollege C. G. Jung hat den Begriff zwar übernommen. Er hat diesen aber in Abgrenzung zu Freud anders definiert.

Begrifflich befinden wir uns also zunächst im Bereich der Psychoanalyse oder Tiefenpsychologie. Kurz erklärt meint „Übertragung“, dass verdrängte Gefühle, Erwartungen oder Befürchtungen aus früherer Zeit auf jemand anderen übertragen werden. Solange die übertragenen Gefühle angemessen sind, ist das in Ordnung. Anders ist es jedoch, wenn die Übertragung ständig zu Problemen führt.

Übertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-focused Psychotherapy, TFP)

Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie stellt das Thema Übertragung in den Mittelpunkt der therapeutischen Betrachtung. Sie stellt eine spezielle Form der psychodynamischen Therapieformen dar – siehe: Was ist psychodynamische Therapie?.

Begriffsklärung: Übertragung und Projektion

Freud verwendete den Begriff der „Übertragung“ zuerst 1895. Er ernannte ihn 1905 zu einem psychoanalytischen Kernbegriff. Freuds Schüler sowie sein Kollege C. G. Jung arbeiteten dieses Konzept aus und erweiterten es. Mittlerweile ist dieser Begriff in fast allen Richtungen der Psychotherapie üblich (vgl. Psychotherapie: Verschiedene Therapieformen), ohne dass jemand sich deswegen direkt auf Freuds ursprüngliche Begriffs-Definition bezieht. Selbst die Soziologie benutzt den Begriff der Übertragung in manchen Zusammenhängen.

Verwandt ist der Begriff „Übertragung“ begrifflich mit der „Projektion“. Wenn jemand eine Erwartung auf einen anderen projiziert, hat das nicht unbedingt zur Folge, dass er die Erfüllung seiner Erwartung erhofft. Das ist jedoch bei der Übertragung der Fall. Hier sollen der Therapeut oder ein anderer Gesprächspartner aus dem sozialen Umfeld des Betroffenen erfüllen, was jemand in der Kindheit des Betroffenen nicht geleistet hat.

Zu unterscheiden sind außerdem positive und negative Übertragungen. Wenn jemand die positiven Aspekte einer früheren Beziehung auf jemand anderen überträgt, ist das gut. Jemand kann aber auch Negativ-Aspekte wie Wut, Hass, Feindseligkeit oder Misstrauen auf andere übertragen, weil er diese in früheren Beziehungen erlebt hat. Eine der beiden Übertragungsformen steht meist im Vordergrund.

Was ist die Übertragungs-fokussierte Psychotherapie?

Die Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (C. G.), im Englischen als „Transference-Focused Psychotherapy“ (TFP) benannt, versteht sich als Spezialform der psychodynamischen Psychotherapie. Diese basiert auf den Grundlagen der Psychoanalyse.

Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie verzeichnet vor allem bei Persönlichkeitsstörungen gute Erfolge. Insbesondere Patienten mit dem Borderline-Syndrom, einer neurotischen, narzisstischen, histrionischen oder antisozialen Störung werden damit erfolgreich behandelt. Die Schweregrade solcher Störungen werden bei der Transference-Focused Psychotherapy (TFP) in drei Gruppen eingeteilt.

Der Schwerpunkt der therapeutischen Arbeit wird auf die immer wieder thematisierte Übertragungsbeziehung gelegt. Die Prinzipien und Vorgehensweisen der Übertragungsfokussierten Psychotherapie wurden in einem Therapiehandbuch festgelegt. Aufgrund dieses Therapiemanuals kann jeder Psychotherapeut sich erarbeiten, worauf es bei der Übertragungsfokussierten Psychotherapie ankommt. Grundlage der Übertragungsfokussierten Psychotherapie ist eine klar formulierte Theorie des Therapeuten. An dieser wird seine Behandlungsstrategie ausgerichtet.

Während der Therapie wird eine Videoaufzeichnung von jeder Sitzung angefertigt. Diese dient der Supervision. Mittels skalierter Fragebögen wird die Arbeit der Therapeuten überwacht.

Grundlagen der Transference-focused Psychotherapy

Der Bezug zur Psychoanalyse nach Siegmund Freud und seinen Nachfolgern ist bei der Transference-focused Psychotherapy unübersehbar. Die Objektbeziehungs-Theorie und die Ich-Analyse stehen besonders im Fokus der Übertragungsfokussierten Psychotherapie. Demnach spiegeln sich gestörte Gefühle, Erwartungen oder Objektbeziehungen, die in der Kindheit des Patienten entstanden sind, in der Person des Therapeuten wider. Wenn der Therapeut diese Übertragung alter Gefühle, Erwartungen und Befürchtungen immer wieder thematisiert, kann sie dem Klienten bewusst werden. Er kann seine innere Haltung ändern.

Der Unterschied zur Psychoanalyse besteht darin, dass der Therapeut sich bei der TFP nicht auf die Übertragung der alten Gefühle einlässt, sondern diese thematisiert. Er macht sie zum eigentlichen Therapieinhalt. Sinn und Zweck dieser therapeutischen Arbeit ist es, den Klienten nicht dabei zu unterstützen, immer wieder in seine kindlichen Verhaltensmuster und Denkweisen zurückzufallen. Statt in der Regression zu verharren, soll sich der Patient weiterentwickeln.

Der explorative Ansatz dieser Therapieform hat sich als besonders erfolgreich bei schweren Persönlichkeitsstörungen erwiesen. Das gilt auch für Persönlichkeitsstörungen, in deren Verlauf es zu Abhängigkeitserkrankungen, Essstörungen oder einer Somatisierung in Form von körperlichen Erkrankungen oder Störungen kam.

Die therapeutische Beziehung bei der TFP

Die Beziehung zum Therapeuten hat bei der Übertragungsfokussierten Psychotherapie eine besondere Bedeutung. Es kommt auch hier im Therapieverlauf zu Übertragungen und Gegenübertragungen. Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie geht jedoch davon aus, dass das auch ständig in allen anderen sozialen Beziehungen passiert, die der Klient erlebt. Im Unterschied zu einem Gesprächspartner im normalen sozialen Umfeld macht der Therapeut diesen Prozess sichtbar. Er thematisiert diese Vorgänge, um mit seinem Klienten darüber zu diskutieren.

Die Reaktionen, Gefühle und Erwartungen des Klienten werden dabei ebenso bearbeitet wie die des Therapeuten selbst. Die Übertragungs-fokussierte Psychotherapie sieht darin typische Verhaltens-, Gefühls- und Denkmuster gegeben, die normalerweise unbewusst ablaufen. Da die Reaktionen auf persönliche Interaktionen automatisch erfolgen, sind sie häufig destruktiv.

Die Analyse und Diskussion der in der Übertragungsfokussierten Psychotherapie zutage tretenden Muster soll die falschen Beziehungsmuster, die unbewussten Erwartungen und destruktiven Denkweisen des Patienten verändern helfen. Die Transference-focused Psychotherapy sieht also in der Konfrontation ein therapeutisches Mittel, um den Klienten zum Nachdenken und Erkennen dessen zu bewegen, was er tut. Sie will ihn verstehen lassen, aus welchen unbewussten Motiven heraus er agiert.

Der Klient lernt sich durch den Therapeuten besser kennen. Er versteht, was ihn in seinen Reaktionen beeinflusst. Er versteht, was ihn in der Kindheit seelisch verstört hat und als Erwachsenen immer wieder auf bestimmte Weise reagieren lässt. Außerdem erkennt er, was sein Gegenüber in Interaktionen mit ihm erlebt. Er versteht, warum sein Gegenüber auf bestimmte Weise auf seine Handlungen reagiert, und welche Folgen sein destruktives oder manipulatives Handeln hat.

Das spezielle Arbeitsfeld der Transference-Focused Psychotherapy

Die TFP wird als störungsorientiertes psychodynamisches Psychotherapie-Verfahren angesehen. Dieses wird hauptsächlich bei Borderline-Pathologien sowie Persönlichkeitsstörungen anderer Art eingesetzt.

Für solche Beschwerdebilder wurden weitere psychotherapeutische Verfahren entwickelt, die ebenso erfolgreich sind: zum Beispiel die Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) (vgl. dialektische Verhaltenstherapie). Die Vorgehensweisen dieser beiden Therapieformen sind unterschiedlich. Die DBT strebt beim Borderline-Patienten eine Erweiterung seiner Handlungskompetenz an. Dazu erlernt er bestimmte „Skills“, die er im Krisenfall einsetzen kann. Bei der Übertragungs-fokussierten Psychotherapie soll sich der Betroffene besser verstehen lernen, indem er beständig mit seinen gestörten Handlungen konfrontiert wird. Daraufhin soll er selbst eine Verhaltensänderung vornehmen. Bestimmte Fertigkeiten erlernt er dafür nicht. Im Endeffekt zählt, dass den Betroffenen geholfen wird.

Bei aller Verschiedenheit zwischen beiden Therapieverfahren sind auch Gemeinsamkeiten festzustellen. Beide Therapieverfahren agieren dynamisch und aktiv. Sie sind in der Vorgehensweise konfrontativ ausgerichtet. Der Therapeut bedarf des intensiven Trainings und der Supervision. Er muss vorgegebene therapeutische Techniken, Methoden und Instrumente verwenden, die einer Manual-Treue (adherence) unterliegen. Es geht in der TFP vornehmlich darum, nicht nur die Symptomatik solcher Störungen zu verbessern. Vielmehr möchte die Übertragungs-fokussierte Therapie auch die gestörte Persönlichkeitsstruktur verändern, damit sich die Lebensqualität der Patienten verbessert.

Als theoretische Grundorientierung werden bei der TFP psychodynamische und objektbeziehungstheoretische Ansätze verfolgt. Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie integriert außerdem aktuelle empirische Erkenntnisse oder Forschungsergebnisse, die aus der Bindungs- oder Affektforschung, aus der neurobiologischen Forschung, der Trauma-Theorie oder der Psychotherapieforschung stammen. Dass die Transference-focused Psychotherapy ein erfolgreiches Verfahren bei Persönlichkeitsstörungen ist, wurde mehrfach bestätigt. Daher ist sie als Sonderform der Psychoanalyse wissenschaftlich anerkannt. Alternativ kann auch die mentalisierungsbasierte Psychotherapie gute Erfolge ergeben.

Problemfeld: der uneinsichtige Klient in der Therapie

Die eigentliche Problematik bei Persönlichkeitsstörungen oder Borderline-Symptomen liegt darin, dass der Klient selbst sich nicht als gestörte Persönlichkeit wahrnimmt. Er hat folglich keine große Motivation, sich therapieren zu lassen. Wer sein eigenes Verhalten als unproblematisch ansieht, geht nur in eine Therapie, wenn Angehörige ihn dazu zwingen. Alternativ lässt er sich nur von therapeutischen Interventionen überzeugen, wenn er durch Begleiterscheinungen wie Depressionen oder Angsterkrankungen unter größeren Leidensdruck gerät.

Manche Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung erkennen gelegentlich, dass ihre Verhaltensmuster problematisch sind. Sie sind aber nicht in der Lage, ihr gestörtes Verhalten zu ändern. Trotz aller Erfolge der genannten Therapieverfahren wurde bisher noch nie umfassend untersucht, welche Therapieform bei einer bestimmten Persönlichkeitsstörung erfolgversprechender ist als eine andere. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Motivation der Klienten, am therapeutischen Prozess mitzuwirken. Ohne ein belastbares Vertrauensverhältnis wird keine der genannten Therapien erfolgreich sein. Außerdem muss der Therapeut dem Patienten glaubhaft erklären, warum eine aktive Beteiligung und daraus resultierende Haltungsveränderungen sein Leben besser machen würde.

Auch die Dauer, mit der eine Persönlichkeitsstörung meist schon besteht, bedeutet eine therapeutische Erschwernis. Die Therapie nimmt daher oft mehrere Jahre in Anspruch. Eine Heilung kann nicht erreicht werden. Bestenfalls werden konkrete Verhaltensweisen, verdrängte Gefühle und destruktive Gedanken verändert, weil sie belastend oder in sozialen Beziehungen hinderlich sind. Auch wenn der Übertragungs-fokussierten Psychotherapie gewisse Grenzen gesetzt sind, kann sie doch zu deutlichen Verbesserungen führen.


Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (TFP / transference-focused psychotherapy) (© Good Studio / stock.adobe.com)
Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (TFP / transference-focused psychotherapy) (© Good Studio / stock.adobe.com)

Zum weiteren Lesen auf dieser Seite:


Übertragungsfokussierte Psychotherapie > Quellen und weiterführende Materialien:

  • youtube.com/watch?v=w9CU4kYvx9E
  • de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbertragung_(Psychoanalyse)
  • youtube.com/watch?v=EbiwgNjoSXk
  • moment.co.at/methoden-ubertragungsfokussierte-psychotherapie/
  • geps.info/downloads/publikationen/kernberg_03_02.pdf
  • tfp-institut-muenchen.de/erklaerung.html
  • rosenfluh.ch/psychiatrie-neurologie-2017-04/psychodynamische-therapien-der-borderline-persoenlichkeitsstoerung
  • de.wikipedia.org/wiki/Dialektisch-Behaviorale_Therapie
  • de.wikipedia.org/wiki/Mentalisierungsbasierte_Psychotherapie
  • therapie.de/psyche/info/index/diagnose/persoenlichkeitsstoerungen/behandlung/

Ängste, Phobien, Panikattacken > Angststörungen und Angsterkrankungen