Kognitive Verhaltenstherapie - Gedanken, Gefühle, Verhalten (© artellia / Fotolia)

Kognitive Verhaltenstherapie, Kognitive Umstrukturierung

Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen und die Urteile über die Dinge. – Epiktet: Handbüchlein der Moral

Diese Beobachtung des griechischen Stoikers Epiktet (50-138 n. Chr.) lässt sich auch als Kernaussage der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) bezeichnen.

Definition, Inhalte und Ziele der kognitiven Verhaltenstherapie

Die Art und Weise, wie Menschen Informationen wahrnehmen, interpretieren und bewerten, beeinflusst ihre Gefühle und ihr Handeln. Die von Epiktet angesprochenen Meinungen und Urteile gehören zu den kognitiven Prozessen oder anders formuliert zu unserem Denken.

Kognitive Prozesse umfassen Erinnerung, Lernen, Planen, Organisieren, Imagination, Hypothesen, Antizipationen, Grundhaltungen und Lebensphilosophien. Sie können bewusst oder unbewusst ablaufen. Wie sie verlaufen, ist von der persönlichen Konstitution und den Erfahrungen geprägt. Viele Menschen lernen schon sehr früh, negative Filter anzuwenden und das Positive auszublenden.

Ein großer Teil dieser gefilterten Wahrnehmungen vollzieht sich auf einer unbewussten Ebene in Form automatischer Gedanken. Sie können zu kognitiven Verzerrungen oder dysfunktionalen Überzeugungen führen, die bei ausbleibender Regulierung Depressionen und Angststörungen auslösen bzw. erhalten können.

Hier setzt die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ein. Sie zielt darauf ab, belastende Denkmuster aufzudecken und umzustrukturieren. Die KVT basiert auf dem Grundgedanken, dass die Denkmuster und Verhaltensweisen erlernt wurden und alles, was erlernt wurde, auch wieder korrigiert bzw. neu erlernt werden kann (siehe auch Verhaltenstherapie Methoden).

Ziel kognitiver Verhaltenstherapien ist es, dysfunktionale Kognitionen in funktionale Kognitionen zu überführen. Dabei wird der Klient aktiv mit einbezogen. Nur wenn er sich über seine Gedankenmuster und deren Auswirkungen bewusst ist, kann er gezielt dagegensteuern.

Das Selbstkonzept und die persönliche Welt des Klienten werden als bedeutender Einflussfaktor auf sein Verhalten und seine Gefühlswelt verstanden. Die kognitive Verhaltenstherapie konzentriert sich dabei auf gegenwärtige Probleme und bietet problembezogene Lösungsansätze. Sie gibt dem Klienten Hilfsmittel an die Hand, seine Wahrnehmung und damit auch seine Gefühle und Handlungen bewusst zu beeinflussen. Der Klient wird somit zu seinem eigenem Therapeuten und ist Situationen nicht hilflos ausgeliefert. Das setzt jedoch seine aktive Mitarbeit und ein Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Klient voraus.

Die kognitive Umstrukturierung während der Therapie erfolgt in einem gemeinsamen Analyseprozess von Klient und Therapeut.

„Die gemeinsame Exploration des Innenlebens des Patienten erzeugt häufig so etwas wie Abenteuerlust, und wenn der Patient entdeckt, wie eigenartig er die Realität konstruiert, wird er motiviert, sich direkter mit aktuellen Ereignissen und der Bedeutung, die er ihnen zuschreibt, zu befassen.“ (Beck, 2004, S. 184)

Arten der kognitiven Verzerrung

Der Begriff der kognitiven Verzerrung umfasst eine Vielzahl verzerrter Wahrnehmungen, die sich zum Teil auch überschneiden. Hier einige Beispiele:

  • Übergeneralisierung: Einzelne negative Erfahrungen werden verallgemeinert und als Regel aufgestellt. So könnten drei Absagen bei Bewerbungen oder gescheiterte Beziehungen zu Aussagen führen wie: „Ich werde nie eine Zusage bekommen.“, „Ich werde nie eine Partnerschaft haben.“ Der häufige Gebrauch von ‚ich muss‘, ‚immer‘, ’nie‘ weist ebenfalls auf eine Übergeneralisierung hin.
  • Dichotomes Denken oder Polarisieren vollzieht sich in nur zwei gegensätzlichen Zuständen: Alles oder Nichts, Schwarz oder Weiß, Entweder Oder, Gut oder Böse. Zwischentöne existieren nicht oder werden der negativen Seite zugeordnet. Ein Beispiel für das dichotome Denken wäre zum Beispiel: „Alle Männer sind gleich.
  • Katastrophisieren bezieht sich auf zukünftige Ereignisse und zu erwartende Konsequenzen des eigenen oder fremden Verhaltens, die allesamt schwarz gemalt werden. Bei der Bewertung von Symptomen wird die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens negativer Ereignisse stark überbewertet. „Ich fühle mich nicht gut. Ich habe bestimmt Krebs.“ Katastrophisieren trägt in hohem Maß zur Chronifizierung der verzerrten Wahrnehmung bei.
  • Selektive Wahrnehmung: Einzelne Aspekte eines Ganzen werden verstärkt wahrgenommen. So könnten beispielsweise aus einer Beurteilung nur die negativen Aussagen aufgenommen und die positiven komplett ausgeblendet werden.
  • Gedankenlesen: Das vermeintliche Wissen über die Gedanken anderer. „Jetzt denken alle, ich bin dumm.“
  • Etikettierung: Aus einer Einzelsituation wird ein generelles Urteil abgeleitet. „Ich habe einen Unfall verursacht. Ich kann nicht Auto fahren.“
  • Tunnelblick oder selektive Wahrnehmung: Ein Lebensaspekt wird überbewertet. „Ich habe Stress am Arbeitsplatz. Mein Leben ist sinnlos.“
  • Niedrige Frustrationstoleranz: Der Glaube, negative Ereignisse nicht aushalten zu können.

Bei andauernder verzerrter Kognition können dysfunktionale Überzeugungen entstehen. Sie könnten auch als Irrglauben oder irrationale Überzeugungen bezeichnet werden. Meist sind es generalisierte negative Aussagen über

  • sich selbst, wie „Ich mache alles falsch.“
  • die Umwelt, wie Keiner liebt mich.“
  • die Zukunft, wie „Ich werde nie mein Glück finden.“

Dysfunktionale Überzeugungen haben selbstschädigende Tendenzen und sind für den Betroffenen äußerst leidvoll. Sie bedeuten nicht nur einen Verlust an Lebensfreude, sondern können auch zu Depressionen, Panik- und Angstzuständen führen.

Kognitive Verhaltenstherapie - Gedanken, Gefühle, Verhalten (© artellia / Fotolia)
Kognitive Verhaltenstherapie – Gedanken, Gefühle, Verhalten (© artellia / Fotolia)

Hauptströmungen kognitiver Therapien

Rational-Emotive Therapie nach Albert Ellis

Die Rational-Emotive Therapie wurde in den 50er Jahren von Ellis entwickelt. Im Mittelpunkt seines Ansatzes stehen Bewertungen und Bewertungsmuster, insbesondere die irrationalen Bewertungsmuster. Auf Ellis geht das ABC-Modell zurück:

  • A (Activating event/experiences) – auslösendes Ereignis, das ein äußeres Ereignis sein kann, wie das Ende einer Partnerschaft oder ein inneres Ereignis, wie Prüfungsangst (siehe Prüfungsängste)
  • B (Beliefs) – Bewertung in Form eines irrationalen Denkmusters, „Ich wurde verlassen, weil ich nichts wert bin.“
  • C (Consequences) – Konsequenz in Form negativer Gefühle, wie Trauer, Niedergeschlagenheit, Wut

Das Neue an diesem ABC-Schema war die Aufnahme der Bewertung als Zwischenschritt. Würde ein auslösendes Ereignis gleich zu Gefühlen und Verhalten führen, wären Einflussnahmen kaum möglich, da es sich um eine reflexartige Abfolge handeln würde. Der Einschub der Bewertung, die erst der Auslöser für die Emotionen und das Handeln ist, ermöglicht eine Einflussnahme auf die Bewertung. Sie kann aktiv verändert werden und so eine kognitive Umstrukturierung herbeiführen.

Das ABC-Modell verläuft nicht nur linear, sondern in einer selbstverstärkenden Schleife. Angewandte Filter in der Bewertungsphase werden in folgenden ähnlichen Situationen wieder oder gar in verschärfter Form verwendet. Deshalb hat Ellis seinem Modell die Interventionspunkte D (Dispute) und E (Effect) hinzugefügt.

  • D steht für das Hinterfragen der Bewertung und E für das Erleben neuer positiver Erfahrungen. Wenn sich der Klient einer ungünstigen Bewertung (B) bewusst wird, kann er sie hinterfragen (D) und
  • neue Erfahrungen (E) machen.

Als Methode wird der Sokratische Dialog genutzt. In einer offenen Gesprächsführung werden die Annahmen des Klienten auf ihre Logik und ihren Realitätsbezug hinterfragt – mit dem Ziel, einen Perspektivwechsel und die Selbsterkenntnis des Klienten zu fördern. Der Sokratische Dialog umfasst die hedonistische Disputation und die empirische Disputation. Die hedonistische Disputation deckt Widersprüche zwischen dem Denken und den Zielen des Klienten auf. Die empirische Disputation prüft die Aussagen auf ihren Realitätsbezug.

Kognitive Therapie nach Aaron T. Beck

In den 60er Jahren entwickelte Beck seinen Ansatz aus der psychotherapeutischen Behandlung depressiver Patienten. Ausgangspunkt war seine Beobachtung, dass depressive Klienten ihre Erfahrungen systematisch verzerren, und zwar in der negativen kognitiven Triade in Bezug auf sich selbst, ihrer Umwelt und der Zukunft. Ziel ist die Umkehrung des negativen Selbstkonzeptes.

Beck unterscheidet automatische Gedanken, die sich blitzschnell, automatisch und situationsbezogen bilden von den depressogenen Grundannahmen. Die depressogenen Grundannahmen liegen hinter den automatischen Gedanken. Zu ihnen zählen unter anderem die folgenden Annahmen (vgl. Wilken, 1998, S. 28):

  • Um glücklich zu sein, muss ich immer Erfolg haben.
  • Um glücklich zu sein, muss ich von allen Menschen akzeptiert werden.
  • Fehler bedeuten, dass ich unfähig bin.
  • Ohne dich kann ich nicht leben.
  • Er teilt nicht meine Meinung, also mag er mich nicht.
  • Mein Wert hängt davon ab, was andere von mir denken.

Beck arbeitete mit dem Konzept der Hausaufgabe und Selbsttherapie. Die Hausaufgaben können sowohl einfache, für den Patienten aber schwer umzusetzende Aufgabenstellungen sein, wie einen Freund anzurufen, als auch Selbstbeobachtungen. Die konkreten Handlungsaufforderungen sollen in erster Linie Erfolgserlebnisse verschaffen.

Die Selbstbeobachtungen dienen dem Erkennen der negativen automatischen Gedanken (vgl. negativ denken).

  1. Sie werden protokolliert und im Therapeutengespräch analysiert.
  2. Ist sich der Klient seiner negativen automatischen Gedanken bewusst, können die zugrunde liegenden depressogenen Überzeugungen analysiert werden.
  3. Sie werden auf ihren Realitätsbezug überprüft und schrittweise durch funktionale Überzeugungen ersetzt.
  4. Bestätigt durch positive Erfahrungen kann so ein konstruktiver Kreislauf die destruktive kognitive Triade ersetzen.

Stressimpfungstraining (Stress inoculation training) nach Donald Meichenbaum

Das Stressimpfungstraining (SIT) ist speziell auf Stresssituationen ausgerichtet, geht aber von derselben Prämisse aus, dass nicht die Situation den Stress verursacht, sondern der Umgang mit der Situation. Es ist ein präventives Training, um mit allen Stress auslösenden Situationen besser umgehen zu können, sich der Negativen Kognitionen bewusst zu werden und förderliche Kognitionen zu erlernen und zu trainieren.

Das SIT umfasst drei Phasen:

  • 1. Informationsphase
  • 2. Übungsphase
  • 3. Anwendungsphase

Zu den Strategien zählen:

  • Entspannung
  • kognitive Umstrukturierung der typischen Gedanken über die Stresssituation
  • problemlösende Selbstinstruktionen, wie zum Beispiel „Langsam!“, „Nachdenken!“, „Eins nach dem anderen!“
  • selbstbelohnende Selbstinstruktionen, wie „Gut gemacht!“

Am folgenden Beispiel werden die Unterschiede in den drei Ansätzen verdeutlicht: „Mein Freund wollte nicht mit mir ins Kino gehen -> Er mag mich nicht mehr.“

  • Beck: falsche Schlussfolgerung, Erarbeitung einer realistischeren Sicht des Ereignisses
  • Ellis: Würde Schlussfolgerung des Klienten als seine wahrgenommene Realität akzeptieren, prüfen wie der Klient diese Realität bewertet und versuchen, irrationale durch rationalere Bewertungen zu ersetzen.
  • Meichenbaum: Es reicht aus, die Selbstverbalisationen zu verändern.“

(aus Sonntag, Dilek: Einführung in die Kognitive Umstrukturierung, S.20)

Techniken zur kognitiven Umstrukturierung

Im folgenden sind einige, zum Teil bereits genannte Techniken der kognitiven Umstrukturierung aufgezählt, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben:

  • Sokratischer Dialog
  • Kognitive Hausaufgaben
  • Protokolle auf Grundlage des ABC-Schemas mit dem Ziel, Distanz zur eigenen Kognition aufzubauen
  • Führen eines positiven Tagebuchs
  • Rollenspiele zur Distanzierung von der eigenen Person, aber auch zum Festigen der funktionalen Kognitionen
  • Reattributieren einer Situation, Analyse der tatsächlichen Eigenverantwortung, finden objektiver Bedingungen

Kognitive Verhaltenstherapie: Quellen und weiterführende Literatur

  • Wikipedia: Kognitive Verhaltenstherapie
  • Beck, Aaron T.: Kognitive Therapie der Depression. Herausgegeben von Martin Hautzinger. 3. Auflage. Beltz, Weinheim u. a. 2004
  • Ellis, Albert: Rational-Emotive Verhaltenstherapie.
  • Meichenbaum, Donald: Intervention bei Stress.
  • Wilken, Beate: Methoden der Kognitiven Umstrukturierung, Kohlhammer Verlag (1998-2006)
  • www.uni-saarland.de/fak5/krause/neu/seminare/WS07-08_VT_bei_Angst/10-Techniken_der_kognitiven_Verhaltenstherapie_14_01_2008.pdf
  • Ängste bewältigen

Videos auf Youtube rund um kognitive Verhaltenstherapie:

Ängste, Phobien, Panikattacken > Angststörungen und Angsterkrankungen