Essstörungen Arten, Ursachen, Behandlung (© Reimer / Pixelvario / Fotolia)

Essstörungen – wenn essen zum Problem wird

Essstörungen sind weit verbreitet: Unbeschwert essen, keine Kalorien zählen, Lebensmittel genießen. All das ist für Betroffene der verschiedenen Essstörung Arten unvorstellbar und löst mitunter starke Gefühle der Angst und Unsicherheit aus. Was für Angehörige oft unverständlich wirkt, ist für die Betroffenen ein stetig innerer Kampf mit sich selbst und hat häufig nichts mit vermeintlichen Schönheitsidealen zu tun. Die Ursachen, die Arten von Essstörungen und selbst die Behandlung sowie die Therapie-Möglichkeiten sind vielfältig, was das Krankheitsbild häufig noch schwerer greifbar macht. Dabei tritt die Krankheit sowohl bei Kindern, im Jugendalter als auch im Alter auf.

Arten, Symptome und Diagnose von Essstörungen

Essstörungen gelten als psychische Verhaltensstörungen und werden fast immer als Suchterkrankungen klassifiziert (vgl. Suchterkrankungen Definition). Dabei sind die Arten verschiedener Essstörungen vielfältig und oftmals sind die Übergänge fließend, was die Diagnostik schwieriger macht. Zwar herrschen feste Diagnosekriterien, dennoch ist es keine Seltenheit dass bestimmte Symptome nur zeitweise auftreten oder wechseln. Zudem herrscht trotz zunehmender Aufklärung, Prävention und wachsenden Forschungserfolgen noch immer eine große Dunkelziffer an Betroffenen. Eine eindeutige Definition gibt es aufgrund dessen nicht.

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► Anorexia nervosa – Magersucht

Die Statistik zeigt: Die Magersucht ist die Essstörung mit der höchsten Sterblichkeitsrate. Etwa 10 % der Betroffenen sterben an den Folgen der Erkrankung, Suizide mitinbegriffen. (anorexie-heute.de) Anorexia nervosa, was wörtlich so viel wie nervlich bedingte Appetitlosigkeit bedeutet, bezeichnet per Definition das krankhafte Hungern und die Verweigerung ausreichend Nahrung aufzunehmen. Die Folgen: Die Erkrankten magern stark ab, leiden und Mangelernährung, Mangelerscheinungen und riskieren Folgekrankheiten wie Osteoporose oder eine Herzmuskelschwäche. Die Krankheit lässt sich am mageren Erscheinungsbild schnell äußerlich erkennen.

Klinisch spricht man ab einem BMI von ≥ 17,5 von einer Magersucht. (bundesfachverbandessstoerungen.de) Zum Vergleich: Ein gesunder BMI liegt durchschnittlich zwischen 18,4 – 25 kg/m².

Magersüchtige beschäftigen sich oft exzessiv mit Nahrungsmitteln, sammeln Rezepte oder kochen für andere. Das konsequente zu wenig essen, häufig in Kombination mit Sport um weitere Kalorien zu verbrennen, führt zu einer ständigen Reduktion des eigenen Körpergewichts. Magersüchtige empfinden es als Sicherheit oder Kontrolle, die Oberhand über ihr Gewicht zu haben und selbst bestimmen zu können, was sie essen und was nicht. Bedürfnisse wie Hunger und Sättigung werden ausgeblendet und werden nach einem gewissen Zeitraum nicht mehr richtig wahrgenommen. Der Gewichtsverlust wird als Erfolg und als Bestätigung wahrgenommen. Eine Gewichtszunahme hingegen löst Panik und Ängste aus. Selbst wenn Magersüchtige bereits starkes Untergewicht haben, ist die Angst vor einer Zunahme so präsent, dass weitergehungert wird.

Gerade die Essstörung Magersucht geht zudem mit einer gestörten Selbstwahrnehmung einher (vgl. auch Dysmorphophobie). Die Betroffenen sehen sich häufig nicht so wie sie sind, sondern haben ein verzerrtes Selbstbild. Dabei werden zum Beispiel bestimmte Körperregionen als unproportioniert, zu dick oder hässlich wahrgenommen – trotz des Wissens um ihr niedriges Körpergewicht. Die Erkrankung geht fast immer mit einer Depression (vgl. Arten von Depressionen) einher.

► Bulimia Nervosa – Ess-Brech-Sucht

Die häufigste Essstörung ist die Bulimie, auch Ess-Brech-Sucht genannt. Ähnlich wie bei der Anorexie fürchten die Betroffenen eine Gewichtszunahme und versuchen mit allen Mitteln abzunehmen, ihr Gewicht zu halten und nicht zuzunehmen. Dabei wechseln sie zwischen Hunger- und Diätphasen und Essanfällen.

Bulimiekranke halten oft ebenso Diät wie Magersüchtige, mit dem Unterschied, dass in unterschiedlichen Intervallen Heißhungerattacken auftreten. Um nicht an Gewicht zuzunehmen erbrechen sich die Betroffenen danach absichtlich. Auch die Kompensation der Essanfälle mit Abführ- und Entwässerungsmitteln sowie exzessiver Sport zur Kalorienverbrennung sind Symptome einer Bulimie. Auch hier tritt begleitend meist eine Depression auf.

Für die Bulimie gibt es im Unterschied zur Anorexie keine BMI-Grenzen. Das bedeutet, dass Betroffene nicht zwingend Untergewicht haben müssen, sondern durchaus auch übergewichtig oder normalgewichtig sein können, weswegen man die Krankheit nicht immer sofort erkennen kann. Da BulimikerInnen bei ihren Essattacken häufig extrem große Mengen an Nahrung zu sich nehmen, kann selbst durch mehrmaliges Erbrechen oft nicht alles aus dem Körper heraus bekommen werden. Manche Betroffene berichten von Essanfällen, bei denen sie 20.000 Kalorien aufnehmen – Das entspricht in etwa 15-20 Pizzen.

Das Erbrechen kann zu Elektrolythaushaltsstörungen führen und Herzrhythmusstörungen verursachen. Bulimie birgt ein hohes Risiko für plötzliches Herzversagen, unter anderem bedingt durch den massiven Kaliummangel (flexikon.doccheck.com/de/Bulimia_nervosa).


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► Binge-Eating-Disorder – Esssucht

Auch wenn es paradox klingen mag – die Esssucht dreht sich ebenso wie die Mager- und Ess-Brech-Sucht häufig um das Thema Abnehmen. Esssüchtige fürchten sich gleichwohl vor einer Gewichtszunahme, schaffen es aber nicht, gegen ihre Essanfälle anzukämpfen oder unterlassen es, sie zu kompensieren. Das Essen wird hier meist für die Regulierung negativer oder schwieriger Gefühl missbraucht. Esssüchtige essen aus Scham, Angst, Trauer (siehe auch Trauerverarbeitung) oder Wut.

Die Essanfälle treten dabei regelmäßig auf und führen auf Dauer dazu, dass Betroffene übergewichtig werden, was zu einer Depression der Betroffenen beiträgt. Dennoch können auch Normalgewichtige an einer Esssucht leiden, was es auch hier schwer macht die Störung äußerlich zu erkennen.

Neben den drei häufigsten Essstörungen – Esssucht, Magersucht sowie Bulimie – gibt es zahlreiche weitere weniger verbreitete Arten, die ähnliche Symptome und Mechanismen aufweisen. Dazu zählen zum Beispiel die Orthorexia nervosa, bei der Betroffene sich krankhaft gesund ernähren wollen oder die Anorexia athletica, also der Sportsucht, von der überwiegend Männer betroffen sind. Bei Nichtvorhandensein zwingender Symptome, wie zum Beispiel der BMI bei der Magersucht, spricht man zudem von atypischen Störungen.


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Ursachen von Essstörungen

Noch vor einigen Jahren galten Essstörungen als klassische Frauenkrankheit. Mittlerweile zeigt sich in der Statistik jedoch, dass es auch immer mehr betroffene Männer gibt. Die Ursachen sind geschlechterunabhängig und ähneln sich bei fast allen Essstörungsarten.

► Genetische Prädisposition

Mediziner nehmen an, dass es für das Auftreten einer Essstörung genetische Faktoren gibt. Dabei sollen manche Menschen, rein aus genetischer Sicht, ein höheres Risiko haben, an einer Essstörung zu erkranken als andere. Vermutet wird das gestörte Zusammenspiel bestimmter Hormone, die unter anderem für die Sättigungsregulierung sorgen. Das Interesse der Forschung hinsichtlich der Ursachen von Essstörungen nimmt stetig zu.

► Umweltfaktoren & Sozio-kulturelle Aspekte

Traumata, wie (extrem) schwierige Erlebnisse in der Kindheit, können den Ausbruch einer Essstörung begünstigen. Zudem trägt das allgemeine Schönheits- bzw. Schlankheitsideal der Medien dazu bei, dass vor allem Mädchen und Frauen Unsicherheiten hinsichtlich ihres eigenen Körpers entwickeln. Dennoch haben Essstörungen in aller Regel nicht unmittelbar etwas mit dem Wunsch „schön“ oder „schlank“ zu sein zu tun. Egal welches Gewicht erreicht wird, Betroffene werden stets nicht zufrieden sein und sich nicht schön und schlank genug finden. Auch wird die eigene Magerkeit mitunter sogar als hässlich empfunden.

Esssgestörte kommen überdurchschnittlich häufig aus intakten und normal wirkenden Familien. Oftmals herrscht bei Kindern die erkranken in der Familie ein Harmonie- und Leistungsbestreben, was sich auf die Betroffenen verstärkt auswirkt. Gerade Magersüchtige neigen zu Perfektionismus und zur Konfliktvermeidung.

Grundsätzlich kann jeder an einer Essstörung erkranken. Allerdings herrscht bei Kindern aber auch Erwachsenen, die hohe Ansprüche an sich selbst stellen und selbstunsicher sind ein größeres Risiko. Viele Esssgestörte haben zudem keine adäquaten Stress- und Konfliktbewältigungsstrategien erlernt, sodass die Essstörung als Mittel zur Gefühlsregulation missbraucht wird, sie empfinden die Erkrankung als Hilfe.

Essstörungen Therapie – Welche Hilfe und Ansätze zur Behandlung gibt es?

Die Krankheit lässt sich behandeln und überwinden, das zeigt die Statistik deutlich! Betroffene entwickeln die Störung häufig aus einem emotionalen Dilemma heraus, mit dem sie nicht anderweitig fertig zu werden wissen und das sie nicht überwinden können. Die Essstörung erfüllt dabei Funktionen wie Sicherheit, Erfolg, Kontrolle und gibt Betroffenen Hilfe, Halt und eine Perspektive. Das macht die Behandlung oft besonders schwer, sodass stets der Einzelfall betrachtet werden muss. Bei diesem internen Zwiespalt berichten Betroffene oft von großer Hilfe von Beratung durch eine Selbsthilfegruppe.

Häufig stehen gerade diese positiven Assoziationen mit der Krankheit einer Behandlung im Wege. Betroffene haben oft wenig Bereitschaft die Krankheit aufzugeben und behandeln zu lassen, da sie befürchten, ein Mittel zur Selbstregulation zu verlieren. Außerdem mangelt es häufig an Krankheitseinsicht. Die Betroffenen fühlen sich nicht krank, weil die Krankheit ihnen vermeintlich Hilfe liefert und weil sie sich durch sie besser fühlen können.


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Erst wenn ein Leidensdruck entsteht, erwächst auch der Wunsch danach, sich behandeln zu lassen. Dabei fürchten die Betroffenen, dass mit Aufgabe der Essstörung jederlei Kontrolle, auch über das Körpergewicht verloren geht und dass sie ihren (negativen) Gefühlen ausgeliefert sind (siehe negative Gedanken bekämpfen). Daher ist es in der Therapie wichtig, neben der körperlichen Stabilisation auch mittels einer Psychotherapie, diese Ängste zu therapieren (-> Psychotherapeutensuche).

Bei Untergewicht und Mangelerscheinungen muss zudem stets die körperliche Rehabilitation beachtet werden. Das Erreichen und Halten eines gesunden Körpergewichts, sowie die Behebung bestimmter Mängel erfolgt idealerweise parallel zur Psychotherapie. Aufgrund dessen eignet sich eine Therapie in einer speziellen Klinik (patienten-information.de). In der Klinik können beide Aspekte ausreichend berücksichtigt werden. Bei einer ausschließlichen Gewichtsnormalisierung ohne psychische Unterstützung besteht ein großes Rückfallrisiko, da die Betroffenen auch danach noch die gleichen emotionalen Probleme haben.

Prognose

Grundsätzlich spricht man nicht von einer Heilung, sondern per Definition eher von einer Symptomfreiheit. Das bedeutet, dass Betroffene durchaus noch Essstörungsimpulse verspüren, diese in der Behandlung aber zu überwinden gelernt haben. Etwa die Hälfte der Betroffenen besiegt nach erfolgreicher Therapie, ambulant oder in einer Klinik, die Essstörung, während der andere Teil Rückfälle erleidet. Dennoch kann man die Krankheit und deren Merkmale besiegen!

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