Zwangshandlung - was hilft? Oft eine Verhaltenstherapie. (© Photographee.eu / stock.adobe.com)

Zwangshandlung – Beispiele, Ursachen und Therapie bei Zwangshandlungen

Jeder Mensch weiß, was ein Zwang ist. Eine Zwangshandlung resultiert aus einem inneren Zwangsdenken heraus. Sie entsteht im Rahmen einer Störung, die den Betroffenen zwangsweise dazu bringt, etwas zu tun – zum Beispiel, sich zum x-ten Male die Hände zu waschen. Ein anderes Beispiel wäre, dass jemand zwanghaft etwas kaufen oder am Glücksspiel-Automaten spielen muss, obwohl er bereits Schulden hat. Der Betroffene kann aber nicht anders. Solche Störungen kommen schon bei Kindern vor.

Auslöser und Grundlage solcher Zwangshandlungen sind oft zwanghafte Gedanken. Beim Waschzwang ist es oft die Angst vor Keimen und Bakterien, die zur Ursache des ständigen Händewaschens wird. Beim Kaufzwang herrscht vielleicht die Vorstellung vor, der Kauf werde den Betroffenen glücklicher machen. Doch dieses Glücksgefühl muss permanent erneuert werden, weil es nie lange anhält. Ein anderer Grund für einen Kaufzwang kann sein, dass derjenige meint, mit anderen mithalten zu müssen. Er glaubt, bestimmte Defizite mit den Käufen ausgleichen zu können – zum Beispiel den Mangel an sozialen Kontakten, an Anerkennung oder Geld für einen Urlaub.



Wodurch äußern sich Zwangshandlungen?

Die einer Zwangshandlung zugrunde liegenden Zwangsgedanken sollen durch eine ihnen entgegenwirkende Handlung behoben werden. Wenn die Angst vor Bakterien übermächtig wird, resultiert daraus oft eine Zwangshandlung: das Händewaschen. Ein gutes Beispiel ist die Corona-Pandemie. Diese hat solche schon latent vorhandenen Ängste bei labilen Menschen gesteigert. Empfohlen wird nun eine verbesserte Handhygiene. Bei Menschen, die potenziell Zwangshandlungen (nach F42.1 respektive F 42.2) unterliegen, wird daraus aber eine außer Kontrolle geratene Handhygiene: ein Waschzwang. Der Betroffene wäscht sich übermäßig oft die Hände. Gerade eben hat er diese gewaschen und desinfiziert, da muss er es aus einem inneren Zwang heraus erneut tun. Und dann nochmals.

Problematisch ist, dass der Betroffene bewusst erlebt, dass er etwas Unsinniges tut. Er kann aber nicht anders. Der innere Drang ist stärker, selbst wenn er sich dagegen wehrt. Er kann zwar versuchen, dem Zwang zum Händewaschen zu widerstehen. Es gelingt ihm aber nicht, das durchzuhalten. Durch das viele Händewaschen kann die Haut der Hände bereits gerötet oder wund sein. Doch das ändert nichts an der erneuten Zwangshandlung.

Viele Menschen kennen solche Zwänge, allerdings in milder Form. Der Sammeltrieb ist zum Beispiel eine sehr weit verbreitete Form. Niemand würde das als Zwangsneurose ansehen. Vielmehr wird das Sammeln von Streichholzschachteln, Zuckerwürfeln, Schlümpfen oder Kronkorken belächelt. Es erscheint vielen Beobachtern als normales Hobby. Sobald die Sammelwut aber dazu führt, dass jemand zum Messie wird oder alle Räume mit seinen Sammlungen belegt, könnte auch eine Zwangshandlung dahinter stecken. Diese Sammelwut hätte einen Krankheitswert, wenn sie zu Leidensdruck führt.


Manch eine(n) treiben Zwangshandlungen zur Verzweiflung (© Photographee.eu / stock.adobe.com)
Manch eine(n) treiben Zwangshandlungen zur Verzweiflung (© Photographee.eu / stock.adobe.com)

Zwangshandlungen führen oft zu Leidensdruck

Menschen, die an einem Kontrollzwang leiden, können nicht anders: Sie überprüfen die verschlossene Tür noch weitere hundert Mal daraufhin, ob sie tatsächlich geschlossen ist. Ein Putzzwang zwingt die Betroffenen dazu, die gesamte Wohnung bis zur Erschöpfung zu putzen. Ordnungszwang oder Zählzwang sind bekannte Beispiele für Zwangshandlungen.

Je stärker der Zwang ausgeprägt ist, desto mehr erhöht sich der Leidensdruck. Kleptomanen müssen zwanghaft etwas stehlen, auch wenn sie wissen, dass sie damit ins kriminelle Milieu abrutschen. Viele Betroffene können ihre Zwangshandlungen nicht ohne eine Therapie in den Griff bekommen. Wie viele Menschen aber ohne eine Verhaltenstherapie inkl. einer Psychoedukation bleiben, weiß niemand. Die Dunkelziffer dürfte groß sein. Die Grenze zwischen einer krankhaften Zwangshandlung und einer unsinnigen Handlung, die oft wiederholt wird, dürfte fließend sein.

Wenn der Leidensdruck der Betroffenen nicht allzu groß ist, arrangieren sich viele Menschen ebenso damit, wie ihr Umfeld es tut.

Was aber unterscheidet eine Zwangshandlung oder einen inneren Zwang von einer Sucht?

Eine Zwangshandlung ist für den Betroffenen erkennbar sinnlos. Er führt sie dennoch aus, weil das Nicht-Ausführen der Handlung zu irrationalen Ängsten führt. Daher hat es auch keinen Zweck, wenn andere Menschen ihn an der Zwangshandlung hindern wollen. Ebenso wenig erfolgversprechend ist, dass der Betroffene sich entgegen seinem inneren Zwangsgedanken auferlegt, diesem Zwang nicht zu folgen.

Bei einer Sucht ist jedoch ein vermeintlicher Lustgewinn enthalten, der für den Betroffenen gewinnbringend zu sein scheint. Schlägt die Abhängigkeit vom Suchtmittel voll zu, ist naturgemäß ein Zwang zur Beschaffung des Suchtmittels gegeben. Eine Zwangshandlung ist das jedoch nicht. Vielmehr dient die Beschaffung des Suchtmittels dazu, erneut in einen als angenehm wahrgenommenen Rauschzustand zu versinken. Eine zum x-ten Mal ausgeführte Zwangshandlung hingegen ist nicht angenehm. Die Mysophobie als krankhafte Angst vor Bakterien, Viren und Schmutz schränkt das Leben zunehmend ein.

Howard Hughes war eines der bekanntesten Beispiele dafür, wie jemand sein Leben unter Zwangsgedanken begraben kann.

Was definiert eine Zwangserkrankung?

In jedem Leben gibt es möglicherweise eine Periode, in der jemand psychisch auffällig wird. Mancher mag dann einer Neigung zur Zwangshandlung unterliegen. In der Regel können die Betroffenen diese Phase aber überwinden. Das passiert, wenn die Ursachen dieser Krise verarbeitet wurden, und die Krise bewältigt wird.

Zwangsneurosen oder Zwangserkrankungen sind jedoch bei etwa 2-3 Prozent der Gesamtbevölkerung anzunehmen. Zwangsstörungen gelten als vierhäufigste psychische Störung in Deutschland. Oft kann ein fachkundiger Beobachter die ersten Anzeichen späterer Zwangserkrankungen oder psychischer Auffälligkeiten schon bei Kindern entdecken. Interessanterweise haben Fachleute Häufungen bemerkt, die bereits im Alter zwischen 12 und 14 Jahren, sowie in der Altersstufe der 20-22jährigen auftreten. Offensichtlich sind das krisenbesetztere Zeiten im Leben junger Menschen.

Eine Zwangserkrankung manifestiert sich oft schon, bevor der Betroffene 30 Jahre alt ist. Aus welchem Grund junge Männer etwa fünf Jahre früher an einer Zwangsstörung erkranken als Frauen, ist bisher nicht bekannt. In späteren Jahren gleichen sich diese Verhältnisse jedoch an. Abzugrenzen ist eine Zwangserkrankung von einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung.

Etwa 8-29 Prozent der Betroffenen, die an einer Zwangserkrankung leiden, sind auch von einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung betroffen. Zwangsstörungen entstehen meist etwas später im Leben. Sie äußern sich in einer bestimmten Zwangshandlung, beispielsweise dem Waschzwang. Eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung kennzeichnet Personen, die perfektionistisch, rational, stur und kontrollsüchtig sind. Sie fordern von anderen Unterordnung unter ihre Regeln ein.

Trotz überhöhter Ansprüchen an sich und andere sind solche Menschen übervorsichtig. Sie wirken wegen ihrer Ängste und Zweifel unfähig, Entscheidungen zu treffen. Es könnte ja eine falsche sein. Fehlentscheidungen wären nicht vereinbar mit der perfektionistischen Grundhaltung. Hier findet sich aber keine konkrete Zwangshandlung, die die Persönlichkeitsstörung begleitet. Vielmehr unterliegt die gesamte Persönlichkeit einem zwanghaften Verhalten.

Ursachen für Zwangshandlungen

Ursachen für Zwangshandlungen bei Kindern sind oft latente oder unbewusste Ängste. Oftmals treten diese in Krisen auf – zum Beispiel, wenn die Eltern sich scheiden lassen. An den Zwangshandlungen der Kinder können die Eltern deren Nöte erkennen. Gemeint ist aber nicht ein oft wiederholtes Handeln im Spiel. Zwangshandlungen werden erst krankheitswertig, wenn sie mit weiteren Auffälligkeiten im Verhalten einhergehen.

Wenn ein Kind sich plötzlich vor den Eltern verschließt, nur noch düstere Musik hört, tagelang die Schule schwänzt und über Tage die Haut rund um den Mund blutig leckt, sollten die Eltern aufmerksam werden. Hier handelt es sich offensichtlich nicht um eine Marotte, einen Tick oder eine spielerische Wiederholung scheinbar unsinniger Verhaltensweisen. Vielmehr liegt hier eine Persönlichkeitsveränderung mit einer Tendenz zum selbstzerstörerischen Verhalten vor. Es ist notwendig, die Ursachen dieser Veränderung zu hinterfragen und fachkundige Hilfe zu holen. Ohne eine Therapie wird sich diese Verhaltensänderung möglicherweise nicht überwinden lassen.

Kinder können Ängste, unterschwellige Panik und Sorgen nur schwer unterdrücken. Sie zu behandeln, gibt ihnen Raum, sich ihrer Gefühle bewusst zu werden. Sie lernen, ihr Gefühls-Chaos anders auszudrücken. Bei Kindern ist eine Gruppenpsychotherapie eher kontraproduktiv, es sei denn im klinischen Bereich. Je nach Dauer und Schwere der Zwangsstörungen kann bei Kindern ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie hinzugezogen werden.

Bei Erwachsenen wird es in der Regel wird es aber auf eine Verhaltenstherapie hinauslaufen, vgl, hierzu aber auch Gesprächspsychotherapie, Tiefenpsychologie, Fokaltherapie und Psychoanalytische Therapie Ablauf.

Bei Kindern und Erwachsenen mit Zwangshandlungen müssen die Ursachen solcher Handlungen in einer Therapie ermittelt werden. Oftmals stecken hinter den Zwangsgedanken, die solche Handlungen auslösen,

  • irrationale Ängste,
  • Selbstzweifel, aber auch
  • traumatische Erlebnisse.

Zudem können auch

  • genetische Einflüsse,
  • neurologische Faktoren oder
  • hirnorganische Veränderungen

dazu beitragen, dass jemand eine Zwangsstörung entwickelt. Weitere Ursachen können auch liegen in der

  • elterlichen Erziehung oder der
  • Persönlichkeit des Betroffenen.

Wenn dieser Mensch seinen Befürchtungen immer mehr Raum gibt, kann er sie irgendwann nicht mehr unterdrücken. Er lässt sich von Ängsten und Befürchtungen dominieren. Betroffene suchen möglicherweise nach entsprechenden Zeitungsberichten. Nach und nach entwickeln solche Menschen oft eine Zwangsstörung. Damit setzen sie den aus ihrer Sicht bestätigten Befürchtungen etwas entgegen. Es gibt aber auch Beispiele dafür, dass aufgrund solcher Ursachen keine Zwangserkrankung, sondern eine Angststörung oder eine Phobie entstehen.



Die Therapie zwangshaften Handelns

Wenn ein starker Leidensdruck besteht, sollten sich die Betroffenen behandeln lassen. Es ist möglich, die Neigung zu Zwangshandlungen zu überwinden – man kann Zwänge besiegen. Viele Beispiele gelungener Therapien beweisen, dass unterschwellige Panik und irrationale Ängste sich besiegen lassen. Auch traumatische Erlebnisse oder Erziehungsmethoden, die zum Entstehen einer Zwangsstörung beigetragen haben, lassen sich überwinden.

Eine Psychotherapie – zum Beispiel eine kognitive Verhaltenstherapie – kann helfen, wieder innere Ruhe zu finden und ohne Zwangshandlung auszukommen. Doch bevor die Betroffenen Gelassenheit lernen können, müssen sie sich ihren Ängsten und Befürchtungen stellen.

Die Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie hat sich bei Zwangsstörungen als sehr erfolgreich erweisen. Je verfestigter die Symptome einer Zwangsstörung sind, desto länger dauert eine therapeutische Intervention. Daher ist es sinnvoll, sich möglichst bald nach Entstehen der Zwangsstörung in Behandlung zu begeben.

Bei schon sehr lange bestehenden Zwangsimpulsen kann der Betroffene lernen, besser mit seinen Zwängen und Zwangsgedanken umzugehen. Eine vollständige Heilung wird bei lange bestehenden Zwangsstörungen eher nicht erreicht. Der Leidensdruck kann aber erheblich gemindert werden, sodass die Lebensqualität sich verbessert. Der Patient versteht nach der Psychotherapie besser, was seinen Zwängen zugrunde liegt. Er hat im sicheren therapeutischen Umfeld Beispiele wie Stresssituationen betrachtet. Er konnte erkennen, dass sich seine Zwangshandlungen bei Stress multiplizierten. Nun kann er in solchen Situationen besser gegensteuern.

Quellen:

  • de.wikipedia.org/wiki/Zwangshandlung
  • psychomeda.de/lexikon/zwang.html
  • netdoktor.at/krankheit/zwangsgedanken-7537
  • neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/erkrankungen/zwangserkrankungen/was-sind-zwangserkrankungen/
  • therapie.de/psyche/info/index/diagnose/persoenlichkeitsstoerungen/zwanghaft/
  • neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugend-psychiatrie/ratgeber-archiv/meldungen/article/wiederholungs-und-kontrollhandlungen-koennen-auf-zwaenge-bei-kindern-und-jugendlichen-hinweisen/
  • noack-hypnose.de/mysophobie/
  • neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/zwangserkrankungen/ursachen/
  • therapie.de/psyche/info/index/diagnose/zwang/therapie/
  • oberbergkliniken.de/artikel/zwangsstoerungen-behandeln-selbsthilfe-therapiemoeglichkeiten
  • apotheken-umschau.de/zwangserkrankungen

Zwangshandlung - was hilft? Oft eine Verhaltenstherapie. (© Photographee.eu / stock.adobe.com)
Zwangshandlung – was hilft? Oft eine Verhaltenstherapie.
(© Photographee.eu / stock.adobe.com)

Ängste, Phobien, Panikattacken > Angststörungen und Angsterkrankungen