Ophidiophobie – die Angst vor Schlangen (© WC 24 / stock.adobe.com)

Ophidiophobie – die Angst vor Schlangen

Tierphobien wie die Ophidiophobie (Fachbegriff für Angst vor Schlangen) erscheinen seltsam, vor allem dann, wenn die Tierart in unseren Breiten gar nicht heimisch oder sehr selten ist. Insbesondere die Angst vor Schlangen und Spinnen scheint tief im menschlichen Bewusstsein verankert zu sein.

Was ist eine Tierphobie überhaupt?

Das Wort Phobie leitet sich vom griechischen Wort „phóbos“ für „Furcht“ ab. Im psychologischen Kontext bezeichnen Phobien ängstliche Überreaktionen auf diverse Auslöser (Phobien Definition). Neben Sozialphobien (Furcht im Umgang mit Mitmenschen), Angst vor Orten (Klaustrophobie, Agoraphobie) existierten eine ganze Reihe Tierphobien.

Die Ophidiophobie (Angst vor der Schlange) und die ebenfalls sehr verbreitete Arachnophobie (Angst vor Spinnen), betrifft einen Großteil der Bevölkerung. Bei den meisten Menschen ist die Furcht allerdings nur wenig ausgeprägt. Von einer Angststörung (Angststörung Definition) oder Phobie spricht man nur dann, wenn Betroffene ernsthaft leiden oder die Angst wahnhafte Züge annimmt.

Weitere, häufiger vorkommende Tierphobien sind:

Furcht in Verbindung mit Tieren wird auch als „Zoophobie“ bezeichnet. Sigmund Freud beschäftigte sich als einer der ersten Psychiater eingehend mit den Zoophobien. Er stellte bereits vor einhundert Jahren eine auffallende Häufung von Tierphobien im Kindesalter fest. Interessanterweise war ein Großteil dieser Kinder kaum oder nur wenig mit der betreffenden Tierart in Kontakt gekommen. Nur in Ausnahmefällen war der Biss durch einen Hund oder eine traumatische Erfahrung mit einer Katze für die Angst verantwortlich. Vielmehr schienen diese Störungen aus dem Nichts aufzutauchen oder vererbt zu sein.

Ophidiophobie – Ursachen und Symptome

„Ophis“ ist das griechische Wort für „Schlange“. Neben der expliziten Angst vor Schlangen gibt es einige artverwandte Phobien, die Schlangen oder schlangenartige Tiere mit einbeziehen.

Herpetophobie ist die Furcht vor kriechenden oder krabbelnden Tieren. Neben Schlangen sind Eidechsen, andere Klein-Reptilien oder Amphibien (Frösche, Lurche, Molche) betroffen.

Unter Dermatozoenwahn versteht man die krankhafte Vorstellung von Insekten, Würmern oder Parasiten, die sich unter der eigenen Haut zu schaffen machen.

Akarophobie ist die Angst vor Insekten und deren Stichen.

Leichte Tierängste rufen Symptome wie ungute Gefühle oder eine sachte Nervosität aus. Dabei ist es egal, ob der Betreffende das Tier leibhaftig sieht oder nur an es denkt. Gewisse Areale des Gehirns reagieren auf Vorstellungswelten genauso, wie wenn das Tier real vorhanden wäre.

Bei schweren Fällen von Zoophobie verfallen Betroffene in regelrechte Panik oder Wahnvorstellungen.

Typische Reaktionen in Verbindung mit einer schweren Phobie sind:

  • Schockreaktion mit Erstarren, Luft anhalten, Zusammenzucken
  • physische Erregung des Körpers
  • Erhöhung der Atemfrequenz, des Herzschlages und des Blutdrucks
  • Gefühle und Emotionen, die mit Furcht, Abwehrverhalten und Fluchtreaktionen einhergehen
  • allgemeines Vermeidungsverhalten

Bei der Ophidiophobie sind die angstauslösenden Faktoren fast immer eingebildet, da es in unseren Lebensräumen nur sehr wenige Schlangen gibt.

Phobie / Angst vor Schlange? Der Fachbegriff lautet Ophidiophobie. (© Pascal Huot / stock.adobe.com)
Phobie / Angst vor Schlange? Der Fachbegriff lautet Ophidiophobie. (© Pascal Huot / stock.adobe.com)

Wie real ist die Gefahr, die von Schlangen ausgeht?

In Deutschland gibt es gerade einmal sechs heimische echte Schlangenarten:

  • die ungiftige und sehr seltene Äskulapnatter (Elaphe longissima)
  • die etwas häufigere und ebenfalls ungiftige Ringelnatter (Natrix natrix)
  • die ebenso harmlose Schlingnatter (Coronella austriaca)
  • die fast ausgerottete ungiftige Würfelnatter (Natrix tessellata)
  • die giftige aber sehr seltene Kreuzotter (Vipera berus)
  • die lediglich im Südschwarzwald selten anzutreffende giftige Aspisviper (Vipera aspis)
  • die Blindschleiche (Anguis fragilis) ist recht häufig, harmlos und streng genommen keine Schlange, sondern eine Echse

Nur die wenigsten Menschen mit einer Angst vor Schlangen haben eines dieser Tiere jemals zu Gesicht bekommen. Am ehesten begegnen Menschen den Tieren heute im Zoo, bei einem privaten Schlangenhalter oder durch das Fernsehen.

In Verbindung mit der Angst vor Schlangen werden diese Eigenschaften als besonders ekelerregend oder furchteinflößend empfunden:

  • die Vorstellung von der glatten (schleimigen) Haut der Tiere
  • eine angenommene hinterhältige Aggression der Schlange
  • die Annahme, Schlangen seien immer auf Beutefang und gefährlich (auch für den Menschen)
  • die Unberechenbarkeit von fleischfressenden Wildtieren
  • die Fähigkeit der Tiere, plötzlich aus dem Nichts aufzutauchen und dorthin auch wieder zu verschwinden
  • Ekel, der durch die Form und Fortbewegungsart der Schlangen ausgelöst wird
  • Vorstellungen von Riesen-Schlangen, die größere Säugetiere oder Menschen komplett verschlingen können

Warum Furcht und Ekel vor Schlangen im Menschen so ausgeprägt sein können, ist immer noch nicht vollständig wissenschaftlich erklärbar.

Heute können Darstellungen, die von reißerisch aufgemachten Medien ausgehen, einen Erklärungsansatz liefern. Tierdokumentationen und Hollywoodfilme zeigen vorzugsweise Schlangen auf der Jagd oder stilisieren sie zu menschenfressenden Monstern.

In vergangenen Zeiten kannte die Menschheit bereits Tierfabeln und Märchen, in denen Schlangen als verräterische Wesen auftauchten. Daneben kennen Legenden und Mythen auf der ganzen Welt gefährliche schlangen-ähnliche Wesen wie Lindwürmer und Drachen.

Weitere Erklärungsansätze gehen davon aus, dass es auch in unseren Breiten in längst vergangenen Zeiten mehr Giftschlangen oder gefährliche Spinnen gegeben haben könnte. Warum sich diese Ängste über Jahrhunderte und Generationen hinweg so hartnäckig halten, ist bisher nicht eindeutig erklärbar.

Wann und wodurch entstehen Angst und Ekel?

Eine Studie* der Rutgers University in New Jersey (USA) widmete sich der Frage, ob Schlangen- und Spinnenphobien angeboren oder erlernt seien. Die Ergebnisse zeigten überraschende Wahrnehmungs-Präferenzen, die bereits bei Kleinkindern und Säuglingen vorhanden sein können.

In einem Versuch zeigten die Forscher Kindern im Alter von nur sieben Monaten zwei Videos gleichzeitig. Ein Film zeigte eine Schlange in Bewegung, das andere einen Elefanten bei der Nahrungsaufnahme. Begleitend dazu wurde ein Tonband abgespielt.

Eine Tonspur sprach mit einer fröhlichen Stimme, die andere angstvoll und warnend. Spielten die Forscher das Tonband mit der erregten Stimme, wanderte die Aufmerksamkeit der Babys wesentlich häufiger zum Video mit der Schlange. Die fröhliche Stimme wurde den Kleinkindern entweder nicht besonders beachtet oder sie richteten ihre Wahrnehmung interessiert auf beide Filme.

Es scheint also bereits in diesem frühen Lebensalter eine geistige Struktur vorhanden zu sein, die Furcht mit dem Erscheinungsbild der Schlange assoziiert.

In einem weiteren Test arbeiteten die Forscher mit 3-jährigen Kindern. Die Hälfte dieser Kinder zeigte bereits eine deutliche Abneigung oder Angst vor Krabbeltieren, Schlangen und Spinnen.

Die Wissenschaftler zeigten den Kindern Fotos von Schlangen, Fröschen, Eidechsen und Raupen sowie Bilder von Blumen. Die Kinder, egal ob mit Anzeichen einer Ophidiophobie oder ohne, konnten Echsen und Reptilien schneller wiedererkennen und zuordnen als die Blumen.

Die meisten Ängste sind anerzogen oder erworben

Gewisse Abneigungen und Präferenzen scheinen aus dem menschlichen Instinkt-Verhalten zu stammen. Damit sich solche Neigungen zu ernsthaften Phobien entwickeln, müssen weitere Faktoren dazukommen:

  • eine prägende schlechte Erfahrung mit der Tierart
  • reale Begegnungen, die spontan Furcht auslösen
  • Begegnungen im Zoo oder in bewegten Bildern (Fernsehen, Filme)
  • Wertungen und Warnungen durch Eltern („böse Schlange“, „Pfui“)
  • Geschichten, Volksglauben, Märchen und Mythen

Je mehr dieser Faktoren zusammentreffen, desto wahrscheinlicher ist die Ausprägung einer Angststörung. Ängstlichkeit und Phobien treten selten als Einzelerscheinungen auf. Betroffene sind insgesamt unsichere Menschen, die unter mehreren Ängsten leiden.

Tiefenpsychologische Ansätze für Ophidiophobie?

Carl Gustav Jung prägte den Begriff des „kollektiven Unterbewusstseins“. Darin sah er sowohl die unbewusste psychische Grundstruktur des Menschen als auch den Urgrund von Volksglauben, Instinkt und Traumgeschehen. Aus Jungs Erkenntnissen entwickelte sich die klassische analytische Psychologie.

Im kollektiven Gedächtnis- und Verhaltensspeicher sind Informationen enthalten, auf die jeder Mensch unbewusst zugreift (Wahrnehmungs-Präferenzen der Babys!). Die dort abrufbaren Strukturen können dem Menschen das Leben deutlich vereinfachen, indem er instinktiv lernt und handelt, ohne lange nachdenken zu müssen.

Genauso gut können in diesem Speicher auch Informationen enthalten sein, die veraltet sind oder es finden unpassende Verknüpfungen (Assoziationen) statt.

Erinnerung, Ängste oder plötzliche Verhaltensweisen, die nicht auf persönlicher Erfahrung basieren, können den Ursprung im kollektiven Unterbewusstsein haben.

Die Assoziations- oder Archetypen-Lehre Jungs bringt die Angst vor Schlangen mit diesen Themen in Verbindung:

  • innere Zwiespälte (hinterhältige Schlange, gespaltene Zunge)
  • Angst vor Falschheit (der eigenen oder der anderer)
  • diffuse Ängste, etwas Schlechtes könnte aus einem herauskriechen
  • die Verweigerung, das Schlechte an anderen oder in der Welt sehen zu wollen
  • Probleme mit Doppeldeutigkeiten und darin verborgenen Weisheiten (Fabeln, Schlange als Heilerin, Äskulapstab)
  • Probleme mit der aufrichtenden Lebenskraft (Yoga, Kundalini, Sexualkraft)

Obwohl diese Ansätze sehr aufschlussreich sein können, wird eine Ophidiophobie heutzutage kaum mehr tiefenpsychologisch behandelt. Nur wenn die Angst vor Schlangen Teil weiterer gravierender psychischer Störungen ist, kann der langwierige tiefenpsychologische Prozess Vorteile bieten.

Die moderne Form der Therapie

Nur wenige Menschen leiden an einer Ophidiophobie, die dringend behandelt werden muss. Bei leichten Tierphobien ist das Mittel erster Wahl, den Kontakt zur betreffenden Tierart zu vermeiden.

Verfolgen die Schlangen einen Menschen bis in den Schlaf oder geht die Furcht mit Wahnvorstellungen einher, kann eine Therapie angezeigt sein.

Therapeuten, die erfolgreich Tierphobien behandeln, arbeiten heute fast ausschließlich mit der Expositionstherapie.

Zunächst werden durch Gespräche Hintergründe und die Irrationalität der meisten Befürchtungen beleuchtet.

Im Anschluss geht es an die persönliche Begegnung mit dem Tier. Durch die Konfrontation mit unbewegten Bilder, bewegten Bilder und schließlich einer echten Schlange, können körperliche und geistige Reaktionen schrittweise korrigiert werden.

*https://www.rutgers.edu/news/fear-scary-things-most-likely-learned


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