Cannabis als Angstauslöser wie auch Angstlinderer? (© unsplash.com // Ben White // https://unsplash.com/photos/yy3GonY48N0)

Erzeugt oder löst Cannabis Ängste?

Cannabis, auch medizinisches Cannabis, ist ein Reizthema. Über die Pflanze und ihre Wirkung herrschen viele Vorurteile. Schuld daran ist vor allem die oft unklare Informationslage. In der Therapie von Angststörungen wird medizinisches Cannabis seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Gleichzeitig kann Cannabis in gewissen Fällen Angstzustände wie Psychosen, Paranoia und Halluzinationen auslösen. Ein scheinbarer Widerspruch, doch diese unterschiedlichen Wirkweisen sind erklärbar.

Scharfe Debatte um medizinisches Cannabis

Seit März 2017 ist Cannabis als Medizin in Deutschland ohne Ausnahmegenehmigung verschreibbar. Vorher durfte Cannabis nur in seltenen Fällen unter strengen Auflagen verschrieben werden. Mit der Zulassung von Cannabis als Medikament intensivierte sich auch die gesellschaftliche Diskussion. Angststörungen und Psychosen als Folge von vermehrten Cannabiskonsum werden von Cannabisgegnern immer wieder, in der oft scharfen Debatte, angeführt. Laut dem Wissensportal Leafly wirken spezielle Cannabissorten angstlindernd und können erfolgreich zur Behandlung von Angststörungen eingesetzt werden.

Befürworter vs. Gegner

Doch wie ist dieser Debatte beizukommen? Während viele Cannabisbefürworter die Pflanze über den grünen Klee loben, sind Gegner der Nutzung überzeugt davon, dass Cannabis mehr Schaden verursacht als Gutes bewirkt. Die Diskussion rund um das Thema Cannabis wird oft unwissenschaftlich und ideologisch geprägt geführt. Vorrangig herrscht aufgrund von Unwissenheit und Fehlinformation wenig Wissen darüber, was alles unter dem Begriff Cannabis zusammenzufassen ist. Zudem muss scharf zwischen Freizeitkonsumenten und einer medizinisch verschriebenen Behandlung, unter ärztlicher Aufsicht, unterschieden werden. Um zu fundierten Schlüssen zu kommen, ist die Auswertung der Faktenlage unverzichtbar.

Cannabis ist nicht gleich Cannabis

Cannabis enthält eine Vielzahl an verschiedenen Wirkstoffen, Cannabinoide genannt. Cannabinoide sind auch im körpereigenen System zu Hause. Der Körper jedes Menschen produziert die sogenannten Endocannabinoide. Diesen kommt beispielsweise eine Funktion in der Regulierung des Immunsystems zu, auch bei Lern- und Bewegungsprozessen spielen sie eine Rolle. Ebenso wirkt das Endocannabinoidsystem in der Gefühlswelt. So erklärt sich die Wirkung von Cannabis – siehe auch Hanftee. Forscher gehen davon aus, dass bei Stress oder Angst zu wenig Cannabinoide produziert werden, weswegen Cannabis beruhigend wirken kann. In Cannabis wurden bisher über 90 Cannabinoid-Wirkstoffe benannt, viele müssen noch in ihrer Wirkung auf biologische Systeme untersucht werden. Es gibt hunderte von verschiedenen Cannabiszüchtungen, die jeweils stark unterscheidende Wirkstoffgehälter haben. Die beiden prominentesten und wohl potentesten Cannabinoide sind THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol). Beide unterscheiden sich deutlich in ihren Wirkweisen.

Die Cannabinoide THC und CBD

THC kann psychoaktiv wirken, sowie aktivierend und euphorisierend, das Wohlbefinden fördern, Übelkeit reduzieren und Appetit auslösen. Der Wirkstoff THC ist für den Rausch verantwortlich und wird oft mit dem Begriff Cannabis gleichgesetzt, woraus eine verkürzte und falsche Sichtweise resultiert. CBD wirkt eher entspannend, schmerzlindernd, entzündungshemmend, beruhigt und reduziert Stress und Angst. Insbesondere CBD rückt immer mehr in den Fokus der Forschung. In einigen Ländern, wie beispielsweise in der Schweiz, ist Cannabis mit CBD und extrem geringem THC-Anteil legalisiert.

Löst Cannabis potentiell Angstzustände aus, oder kann es sie lindern? - Beides kann richtig sein. (Quelle: leafly.de/cannabis-report-versorgungsbericht-gkv/)
Löst Cannabis potentiell Angstzustände aus, oder kann es sie lindern? – Beides kann richtig sein. (Quelle: leafly.de/cannabis-report-versorgungsbericht-gkv/)

Verschiedene Cannabissorten

Cannabis Sorten werden gezielt mit unterschiedlich hohen CBD- und THC-Anteilen gezüchtet. CBD schwächt die psychoaktive Wirkung von THC ab.

Es ist davon auszugehen, dass eine Cannabissorte mit hohem Gehalt an THC und niedrigem CBD-Gehalt aufgrund der psychoaktiven Wirkung eher für Angstzustände verantwortlich sein könnte (vgl. auch Angstzustände Ursachen). Eine Cannabissorte mit ausgeglichenem Gehalt an THC und CBD, oder eine Sorte mit niedrigem THC und hohem CBD-Gehalt wiederum würde aufgrund der entspannenden und beruhigenden Wirkung eher gegen Angstzustände helfen (siehe auch Mittel gegen Angstzustände).

Mit CBD gegen die Angst

Angst ist eine wichtige evolutionäre Eigenschaft. Sie ist eine Schutzfunktion, welche in Bedrohungssituationen notwendige Fähigkeiten verstärkt, so macht Angst beispielsweise aufmerksamer und reaktionsschneller. Bei Angststörungen bestehen exzessive Angstzustände ohne eine Bedrohungslage. Jemand der an einer Angststörung leidet empfindet Angst, obwohl es keinen triftigen Grund dafür gibt. Die Angststörung ist oft gekoppelt an bestimmte Erfahrungen und Erinnerungen, die ein tiefgreifendes Angstgefühl implizierten. Die Angst potenziert sich, da sie nicht verarbeitet werden konnte. Um diese Angst zu lösen, muss eine Aufarbeitung erfolgen, sodass das festgesetzte Gefühl der Angst “vergessen” werden kann. Untersuchungen zeigen, dass dies mit Hilfe von CBD bei vielen Patienten erfolgreich machbar ist.

Es kommt auf die Dosis an

Eine Studie an der University of Illionois brachte dabei erstaunliches zu Tage: Probanden die eine niedrige Dosis THC konsumierten fühlten sich entspannter in Stresssituationen, während Probanden, die eine höhere Dosis verabreicht bekamen, sich schneller gestresst zeigten. Entscheidend für die Abschwächung oder Forcierung von Angstgefühlen ist im Falle von Cannabis nicht der Wirkstoff an sich, sondern die Höhe der Dosis. Wird Cannabis als Medizin eingesetzt, werden die Sorten nach Wirkstoffgehalt ausgewählt und die Dosierungen dienen nicht der Herstellung eines Rauschzustandes, sondern dazu Ursachen, Symptome und Auswirkungen des Leidens zu behandeln.

Ein Zusammenhang besteht

Gleichzeitig verweisen Forscher darauf, dass exzessiver Cannabiskonsum zu Psychosen und Schizophrenie führen kann (siehe auch paranoide Schizophrenie). Insbesondere jugendliche Konsumenten, deren Gehirn sich in der Pubertät in einem natürlichen Umbau befindet, gefährden sich. In den meisten Fällen bestehen jedoch gewisse Vorbelastungen, also Fälle von Psychosen und Schizophrenie in der Familie, die erbliche Anlagen diesbezüglich bedeuten. Insbesondere schon vorhandene Psychosen können verstärkt werden.

Jedoch dreht es sich in diesen Fällen um Freizeitkonsumenten, die nicht unter ärztlicher Aufsicht medizinisches Cannabis zu sich nehmen, sondern unkontrolliert zu Rauschzwecken kiffen. Konsumenten die Cannabis illegal auf dem Schwarzmarkt erwerben können zudem nie sicher wissen, in welchen Dosierungen Wirkstoffe enthalten sind. So schwankt beispielsweise der THC-Gehalt zwischen einem und 14%.

Cannabis ist ein komplexes Thema

Die Aussage, dass Cannabis gegen Ängste oder Angststörungen hilft und Ängste oder Angststörungen auslösen kann ist also etwas irreführend. Es gibt nicht die eine Sorte Cannabis, sondern eine große Anzahl an Züchtungen mit völlig unterschiedlichem Wirkstoffgehalt. Neben vielen anderen Faktoren ist auch die Dosierung ein entscheidender Punkt, der starke Bedeutung für die Wirkung von Cannabis hat. Letztendlich gilt auch zu beachten, dass Cannabis nicht bei allen Menschen gleich wirkt.

Kein Widerspruch

Es ist kein Widerspruch, dass Cannabis sowohl Angstzustände verstärken oder auslösen kann, als auch sich gegen Angst als hilfreich erweist und Stress mindern kann, sondern eine gut zu beweisende Aussage. Auch bei Opioiden würde niemand widersprechen, wenn man sie als hilfreiche Schmerzmittel bezeichnet, gleichzeitig jedoch als gefährliche Substanzen, die stark abhängig machen können und bei falschem Gebrauch respektive Missbrauch erhebliche Schäden verursachen können (vgl. auch Benzodiazepin, Tavor, Diazepam & Co..

Eine nüchterne Debatte ist notwendig

In der Diskussion um medizinisches Cannabis wird dabei eine Frage deutlich, die im Zusammenhang mit Medikamenten ansonsten vielleicht sogar zu selten gestellt wird. Nebenwirkungen, Abhängigkeit und Folgeschäden sind gesellschaftlich teilweise ein tabuisiertes Thema. Eine Substanz kann in vielen Fällen hilfreich sein, in anderen Fällen schädlich, dabei spielen viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Das Thema Cannabis wird medial oft aufgebauscht betrachtet, konservative und progressive Positionen werden zumeist mit besonderer Härte vertreten. Zusätzlich verkompliziert die parallele Verwendung von Cannabis als Medizin und als Droge die Beschäftigung mit dem Sachverhalt.

Pauschale Aussagen sind hierbei eher irreführend statt hilfreich, da sie an der Komplexität des Sujets vorbeigehen. Vertreter affirmativer und konträrer Positionen können voneinander lernen, wenn ideologische Hürden überwunden werden. Eine nüchterne, wissenschaftlich geführte Debatte wird in Zukunft durch weitere Studien unterfüttert werden und die Diskussion um die Materie Cannabis versachlichen.

Zum Weiterlesen:

Ängste, Phobien, Panikattacken > Angststörungen und Angsterkrankungen