Midazolam als Angstlöser und Beruhigungsmittel (© MQ-Illustrations / stock.adobe.com)

Midazolam als Angstlöser und Beruhigungsmittel

Midazolam ist ein Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine. Es wirkt entkrampfend, sedierend, angstlösend und schlaffördernd und wird daher für eine Vielzahl entsprechender therapeutischer Eingriffe verwendet. Als schnell- und kurzwirksames Sedativum spielt es unter anderem eine Rolle bei der Einleitung von Anästhesien, bei der Behandlung akuter Erregungszustände oder Krampfanfällen.

In Deutschland unter dem Namen Dormicum von Roche vertrieben, ist es in den USA als Versed auf dem Markt.

Wirkmechanismus und Einsatzgebiet von Midazolam

Wie alle Benzodiazepine wirkt Midazolam auf die GABAA-Rezeptoren des Nervensystems und verstärkt dadurch die Wirkung des körpereigenen Botenstoffes gamma-Aminobuttersäure (GABA). Im Gehirn löst dies eine vor allem hemmende / dämpfende Wirkung aus.

Hauptsächliches Anwendungsgebiet ist die Notfallmedizin und Anästhesiologie: Hier wird Midazolam zur Vorbereitung von Narkosen, zur Behandlung akuter Erregungszustände oder schwerster Panikattacken verwendet. Im therapeutisch psychiatrischen Bereich spielt Dormicum aufgrund der geringen Wirkdauer und der hohen Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung eine untergeordnete Rolle. Allerdings kann durch kontinuierliche Gabe eine länger anhaltende Sedierung erreicht werden, wie sie in der Intensivmedizin u.U. notwendig ist. Außerdem können geringere Dosen in kontinuierlicher Gabe in der Palliativpflege verwendet werden, um Verkrampfungen oder Ängste zu lösen sowie allgemein als Beruhigungsmittel zu wirken.

Die sedierende Wirkung wird in der Anästhesiologie genutzt, um die Auswirkungen der von Ketamin verursachten Halluzinationen abzufangen. Midazolam verursacht eine anterograde Amnesie, d.h. Erlebnisse nach der Einnahme werden nicht gespeichert. Die mitunter als belastend empfundenen Eindrücke unter Ketamin könne so Patienten mit Angststörungen, PTBS oder ähnlichen Beeinträchtigungen nicht nachhaltig verstören.

Zur Behandlung epileptischer Krampfanfälle wird Midazolam verwendet, um anhaltende Krämpfe zu beenden. Dazu erhält der Patient eine Tablette, die in die Mundhöhle eingelegt wird und den Wirkstoff dort direkt freisetzt.

In den USA kommt Midazolam vereinzelt bei der Vollstreckung der Todesstrafe zum Einsatz, wo es als Ersatz für Phenobarbital verwendet wird, welches vom Hersteller nicht mehr für den Tötungseinsatz zugelassen ist. Dabei wird Midazolam benutzt, um den Verurteilten bis zur Bewusstlosigkeit zu sedieren, woraufhin die eigentlich tödliche Injektion von Substanzen erfolgt, die den Herzschlag stoppen.

Dieses Einsatzgebiet ist naturgemäß Ziel vielgestaltiger Kritik, unter anderem auch aufgrund der fraglichen Eignung der Substanz. Der Wirkstoff war Gegenstand zahlreicher Gerichtsverhandlungen, bei denen sich Verteidiger bemühten, die Anwendung untersagen zu lassen.

Anwendung und Wirkdauer

Der Wirkstoff wird bei oraler Gabe rasch ins Blut aufgenommen und entfaltet nach ca. 30 Minuten seine Wirkung, wobei die höchste Plasmakonzentration nach ca. 1 Stunde erreicht ist. Insgesamt werden aber nur ca. 50% der verabreichten Dosis resorbiert. Bei bukkaler (als in die Wange eingelegte Tablette z.B. gegen Krampfanfälle), intranasaler, intrathekaler, intramuskulärer oder rektaler Verabreichung erfolgt die Aufnahme ins Blut noch schneller.

Die Metabolisierung erfolgt über den ebenfalls aktiven Zwischenschritt 1-Hydroxymidazolam hin zu Zucker- und Glucuronsäurekonjugaten, die über den Urin ausgeschieden werden. Die Halbwertszeit beträgt 1,5 bis 2,5 Stunden. Da bei Aufnahme des Wirkstoffs einem starken first-pass-Effekt unterliegt, d.h. das Midazolam wird über die Pfortader sofort in die Leber transportiert und dort abgebaut, ist die Resorption in der Mundhöhle oder infolge direkter Injektion wesentlich effektiver.

Die übliche Dosis ist stark altersabhängig und beträgt oral bei Kindern und Jugendlichen 0,2 bis 0,5 mg/ kg Körpergewicht sowie bei Erwachsenen 7,5 mg einmalig bis hin zu 15 mg als Tageshöchstdosis.

Aufgrund des schnellen Abbaus sind Wirkdauern von 3 bis 6 Stunden erwartbar. Es gibt allerdings Stoffwechselerkrankungen, die dies erheblich verzögern können. Auch ein sehr geringes bzw. hohes Patientenalter verlängert die Wirkdauer aufgrund geringerer Leberaktivität.

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Bei der Verabreichung von Midazolam müssen eine Reihe von potentiellen Wechselwirkungen bedacht werden. Der Wirkstoff wird fast vollständig via Cytochrom P450 3A4, dem Hauptabbauenzym der Leber, verstoffwechselt:

  • Proteaseinhibitoren, Grapefruitsaft, einige Antidepressiva (z.B. Sertralin), einige Antibiotika (z.B. Erythromycin und Clarithromycin) können den Abbau von Midazolam verzögern und dadurch die Wirkungsdauer u.U. erheblich verlängern
  • CYP3A4-Induktoren, d.h. Stoffe, die die Produktion dieses Enzyms fördern, wie Johanniskrautextrakt, Rifapentin, Rifampin oder Phenytoin sorgen für eine verringerte Wirkzeit durch beschleunigten Abbau
  • Alkohol: sollte vermieden werden, kann die Wirkung verstärken, die Aufnahme im Darm stark beschleunigen (problematisch ist vor allem Alkoholismus)
  • dämpfende Substanzen wie Antihistaminika, Antipsychotika, andere Sedativa, sedierende Antidepressiva oder Anxiolytika verstärken die Wirkung von Midazolam

Midazolam als Angstlöser und Beruhigungsmittel (© MQ-Illustrations / stock.adobe.com)
Midazolam als Angstlöser und Beruhigungsmittel (© MQ-Illustrations / stock.adobe.com)

Midazolam Nebenwirkungen

Allgemein

Es sind Überempfindlichkeiten auf Midazolam bekannt, die sich in allergischen Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock äußern können.

Erwartbare Nebenwirkungen sind Verwirrtheit, Schläfrigkeit, Bewegungsunsicherheit, Schwindel (Schwankschwindel) sowie eine erhöhte Sturzgefahr mit möglichen Knochenbrüchen. Darüber hinaus kann Midazolam atemdepressiv und stark blutdrucksenkend bis hin zum Herzstillstand wirken. Entsprechende Vorsichtsmaßnahmen sind bei der Verabreichung höherer Dosierungen zu treffen.

Daraus ergeben sich Kontraindikationen wie z.B. bei Schlafapnoe, Myastenia gravitas, aber auch unter der Schwangerschaft (Gefährdung des Embryos) sowie mit Hinblick auf die Metabolisierung bei starken Leber- oder Niereninsuffizienzen.

Überdosis von Midazolam

Midazolam-Überdosen können z.B. bei unbekannten Wechselwirkungen in der Notfallmedizin oder bei der missbräuchlichen Einnahme auftreten. Es handelt sich um eine häufig auftretende Komplikation, die rasches Eingreifen erfordert und von Schläfrigkeit, Ataxie oder Verwirrung bis hin zu Koma, Atem- und Herzstillstand und zum Tode führen kann.

Als Benzodiazepin kann eine Überdosis von Midazolam mit dem Gegenmittel Flumazenil behandelt werden.

Rechtlicher Status

In Deutschland gilt Midazolam als verschreibungspflichtiges Medikament und bis auf Ausnahmen in geringer Konzentration zur Behandlung von Krampfanfällen bei Minderjährigen als Betäubungsmittel.

Wie alle Benzodiazepine lässt sich die Substanz als Rauschmittel oder zur Betäubung von Personen (z.B. als Vergewaltigungsdroge) missbrauchen.

Quellen:

  • gelbe-liste.de/wirkstoffe/Midazolam_2598
  • Heizmann P, Eckert M, Ziegler WH (2012). “Pharmacokinetics and bioavailability of midazolam in man”. British Journal of Clinical Pharmacology. 16
  • Reves JG, Fragen RJ, Vinik HR, Greenblatt DJ (March 1985). “Midazolam: pharmacology and uses”. Anesthesiology. 62 (3): 310–24 https://en.wikipedia.org/wiki/Midazolam
  • pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=midazolam

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