Konfrontationstherapie bei Angststörungen | Über Konfrontation, Exposition, Flooding (© fotomek / Fotolia)

Konfrontationstherapie bei Angststörungen | Konfrontation, Exposition, Flooding

Jeder Mensch kennt irgendwelche Ängste, die ihm in Art und Ausprägung oft unerklärlich sind. Intensive Furcht kann den Betroffenen für Momente handlungsunfähig machen, auch wenn jemand sie als irrational erkennt. Mancher hat Angst vor überfüllten Kinos, engen Fahrstühlen oder steilen Treppen. Ein anderer ängstigt sich vor Keimen, Knöpfen, Hochhäusern, Spritzen oder langen Krankenhausfluren. Auch Flugangst ist ein weit verbreitetes Phänomen. Solche Ängste sind ganz normal. Erst wenn die Furcht die Grenzen des Üblichen überschreitet und zum lebenseinschränkenden Problem wird, könnte eine Angsterkrankung oder Phobie dahinter stecken. Und auch wenn keiner der Betroffenen etwas wie „Stell‘ Dich Deiner Angst!“ hören will, so ist die Konfrontationstherapie bei Angststörungen doch eines der wirksamsten psychotherapeutischen Formate. Ganz so einfach, wie es klingt, ist es jedoch in vielen Fällen auch wieder nicht. Lesen Sie selbst!

Wann wird Angst zum Problem?

In manchen Fällen hat die Furcht vor bestimmten Erlebnissen, Lebewesen oder Dingen so viel Raum im Leben des Betroffenen erhalten, dass der Betroffene nicht mehr angemessen damit umgehen kann. Seine Ängste – zum Beispiel vor Spinnen oder Knöpfen, Spritzen oder Keimen – dominieren ihn. Sie bestimmen sein Verhalten. Seine Gedanken kreisen ständig um die angstbesetzten Felder im Leben. Begegnet so ein Mensch den Angstauslösern unvermittelt, kann das zu Panikattacken mit Herzrasen, Schweißausbrüchen und Fluchtgedanken führen. Der Betroffene kann bei zunehmender Verdichtung der Angstproblematik selbst das pure Denken an den angstbesetzten Gegenstand oder das angstbesetzte Erleben nicht mehr angemessen bewältigen. Am Ende wählen die Betroffenen oft Vermeidungsverhalten (siehe auch Vermeidungsverhalten Definition & Ursachen).

Buch über Konfrontationstherapien im Rahmen von psychotherapeutisch-verhaltenstherapeutischer Behandlungen: "Exposition und Konfrontation - Standards der Psychotherapie" | Tobias Teismann, Jürgen Margraf (Amazon)
Buch über Konfrontationstherapien im Rahmen von psychotherapeutisch-verhaltenstherapeutischer Behandlungen: „Exposition und Konfrontation – Standards der Psychotherapie“ | Tobias Teismann, Jürgen Margraf (Amazon)

Mit dem Vermeidungsverhalten schleicht sich meist auch ein zunehmender sozialer Rückzug ein. Wer möchte schon zugeben, dass er von seinen Ängsten dominiert wird? Bevor die Betroffenen Hilfe erhalten, vergeht oft erschreckend viel Zeit. Der Leidensdruck der Betroffenen ist meistens hoch. Er zieht unter Umständen berufliche Folgen und/oder Suchtproblematiken nach sich.

Anfangs passt sich das soziale Umfeld häufig den Ängsten der Betroffenen an. Die Familie bemüht sich, die angstbesetzen Situationen zu entschärfen. In anderen Fällen werden die Panikattacken belächelt. Das verbessert die Situation für die Betroffenen nicht gerade. Eine angemessene Vorgehensweise wäre es, dem Betroffenen zu einer Psychotherapie zu raten (siehe auch Überblick Psychotherapieverfahren). Angstpatienten kann vermittelt werden, dass sie an einer Angststörung leiden (siehe auch Angststörungen Ursachen), und dass diese mit fachkundiger Hilfe und geeigneten Strategien bewältigt werden kann.

Videos:

Quellen:

  • neuro24.de/a2.htm
  • rataufdraht.at/themenubersicht/personliches/wenn-angst-zum-problem-wird
  • angstselbsthilfe.de/wp-content/uploads/2017/05/daz_Sonderheft_2017_final_web_Doppelseiten.pdf

Werden alle Angststörungen ähnlich verursacht?

Zur Beantwortung dieser Frage muss zunächst geklärt werden, ob die Angsterkrankung aufgrund einer körperlichen Erkrankung verursacht wurde, oder ob ausschließlich seelische Gründe ausschlaggebend waren. Entstand die Angststörung beispielsweise durch schweres Asthma, verschwinden die damit einhergehenden Panikattacken meistens wieder, wenn die Grunderkrankung besser eingestellt wird und der Patient durch einen Aufenthalt in der Klinik besser damit umzugehen lernt. In solchen Fällen ist nicht unbedingt eine Psychotherapie oder ein Konfrontationstraining sinnvoll. Vielmehr ist die Angst eine unmittelbare Folge der schweren Erkrankung, die tatsächlich einen lebensbedrohlichen Aspekt hat. Die Asthmaprobleme sowie die daraus entstandene Panik können bewältigt werden, indem die Grunderkrankung besser eingestellt, verstanden und angenommen wird. Solche Angstproblematiken sind auch bei Krebspatienten häufiger zu finden.

In einer völlig anderen Situation sind jedoch Patienten, bei denen unbewältigte seelische Konflikte sich in einer Angststörung manifestieren. Rezeptfreie Beruhigungsmittel oder Entspannungsverfahren genügen bei schweren Angststörungen nicht. Hier sind entsprechend spezialisierte Psychiater (siehe Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie) die besseren Ansprechpartner, zumal eine ausgewachsene Angststörung oft mit Depressionen, Alkoholismus oder dramatisch wirkenden körperlichen Symptomen einhergeht. Oftmals haben die Betroffenen aufgrund der begleitenden körperlichen Symptome eher die Furcht, körperlich krank zu sein oder einen Herzinfarkt zu erleiden.

Die körperlichen Symptome überlagern häufig die tatsächlichen Ursachen der Angststörung (vgl. Angstzustände Symptome verstehen und Ursachen von Angststörungen). Die somatischen Beschwerden deuten für die Betroffenen nicht auf eine aus dem Ruder gelaufene Ängstlichkeit hin, sondern auf ernsthafte gesundheitliche Probleme. Der Schweregrad und die Symptomatik einer Angststörung entscheiden darüber, für welche Therapie der Patient als geeignet erscheint. Ein häufiges Problem ist, dass die Betroffenen ihre Angstsymptome oft viel zu lange aushalten, bevor sie Hilfe suchen. Suchen Betroffene endlich nach einer geeigneten Behandlung, erleben sie oft genug, dass sie auf einer Warteliste beim Therapeuten landen. Meist wird eine Expositionstherapie ambulant, seltener stationär in einer Klinik durchgeführt.


Quellen:

  • therapie.de/psyche/info/index/diagnose/angst/therapie-von-angststoerungen/
  • zeit.de/wissen/gesundheit/2013-10/angst-panik-psychologie-therapie/seite-2

Welche Therapie eignet sich bei Angststörungen?

Infrage kommen die kognitive Verhaltenstherapie einschließlich der Expositions- bzw. Konfrontationstherapie, oft unter medikamentöser Begleitung. Auch Entspannungsverfahren oder sportliche Betätigung können begleitend eingesetzt werden, um die Patienten wieder zur Bewältigung ihres Alltags zu befähigen und ihnen zu einem normalen Lebensgefühl zu helfen. Eine Gesprächstherapie oder Psychoanalyse scheint geeignet, wenn die Betroffenen in einer tiefen Lebenskrise stecken. Diese kann durch den Tod eines Partners, eines Elternteils oder Kindes ausgelöst werden. Die Angststörung ist auch hier nicht die eigentliche Ursache der Probleme, sondern ein Ausdruck derselben. Siehe auch Angstzustände bekämpfen.

Problematisch ist, dass die Störung schon länger bestehen kann. Angststörungen lassen sich generell besser behandeln, wenn die Problematik noch nicht allzu ausgeprägt ist. Doch in den meisten Fällen werden mittels der Konfrontationstherapie auch bei schweren Fällen gute Erfolge erzielt. Wichtig ist, dass der Leidensdruck beim Betroffenen eine starke Motivation zur Mitwirkung auslöst. Die Vorgehensweise im Rahmen der Behandlung ist in vieler Hinsicht standardisiert. Die Therapeuten sollten aber auch persönliche Nöte und Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigten, wenn ein Abbruch der Konfrontationstherapie vermieden werden soll.


Quellen:

  • panikattacken.at/konfrontationstherapie/konfron.htm
  • neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/therapie/psychotherapie/techniken-der-kognitiven-verhaltenstherapie/reizkonfrontation/

Wie geht die kognitive Verhaltenstherapie vor?

Das erfolgversprechendste Therapieverfahren bei einer Angsterkrankung wie der

und ähnlichen Erscheinungen ist die kognitive Verhaltenstherapie. Hier lernt der Patient zunächst seine Ängste näher kennen. Er lernt ihre Bedeutung und ihre Ursachen besser verstehen (siehe z.B.  Höhenangst Ursachen). Dann kann der Therapeut im Rahmen einer Konfrontationstherapie beginnen, den Betroffenen mittels einer absichtsvoll herbeigeführten Reizüberflutung – dem sogenannten Flooding – mit seinen Panikreaktionen, den damit verbundenen Gedankenschleifen, Gefühlen und Fluchtreaktionen zu konfrontieren. Dazu muss der Angstpatient allerdings innerlich bereit sein. Die ersten Übungen sind bewusst harmloser Natur. Sie stellen den Patienten in eine sichere Situation und konfrontieren ihn beispielsweise mit Fotos der angstmachenden Auslöser. Der Betroffene muss lernen, das Foto und alles, was er dabei empfindet, auszuhalten (siehe auch Excrementophobie, Katzenangst, Angst vor Leichen). Nach längerer Exposition spürt er, dass die Panik langsam nachlässt.

Konfrontation, Exposition, Flooding | Am Ende einer gut gemachten Konfrontationstherapie können Menschen mit zuvor panischer Angst vor Spinnen diesen halbwegs "normal" gegenübertreten (© neftali / Fotolia)
Konfrontation, Exposition, Flooding | Am Ende einer gut gemachten Konfrontationstherapie können Menschen mit zuvor panischer Angst vor Spinnen diesen halbwegs „normal“ gegenübertreten (© neftali / Fotolia)

Der Therapeut kann mit Einverständnis des Betroffenen nun die nächste Stufe der Exposition angehen. Der Patient entscheidet selbst, ob er sich eine der folgenden Übungen zutraut, oder lieber nochmals eine einfachere Übung in Sachen Konfrontation auszuhalten lernt.

Das Flooding hat sich in der Verhaltenstherapie als effektives Mittel erwiesen (vgl. Was bedeutet Verhaltenstherapie?), mit dem man weniger komplexe Angstproblematiken gut in den Griff bekommen kann. Durch das absichtsvolle Verweilen in einer angstbesetzten Situation lernt der Patient die Mechanismen seiner Panikreaktionen kennen. Er kann sie nach und nach besser aushalten. Eine wichtige Komponente bei der Konfrontationstherapie ist das Vertrauen in den Therapeuten.

Das Flooding eignet sich jedoch nicht als Behandlungsansatz, wenn es eine komplexere Angstproblematik zu behandeln gibt. Aus dem Ruder gelaufene Panik und Furcht kann zum Beispiel mit Suchterkrankungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen oder schweren Vorerkrankungen gekoppelt sein. In diesen Fällen kommt eher die gestufte Reizkonfrontation zum Tragen.


Quellen:

  • therapie.de/psyche/info/index/diagnose/angst/therapie-von-angststoerungen/
  • neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/angsterkrankungen/therapie/
  • de.wikipedia.org/wiki/Flooding_(Psychotherapie)

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Was erfordert eine Konfrontationstherapie vom Betroffenen?

Der Begriff der Konfrontation erfordert die Bereitschaft des Betroffenen, sich seinem Problemkomplex zur Gänze zu stellen. Es genügt nicht, das Symptom der Furcht und Panik aus dem Leben zu werfen, sondern seine Aufgaben zu verstehen. Angsterkrankungen wollen den Betroffenen etwas über sich selbst mitteilen. Die Konfrontation mit den angstmachenden Auslösern beinhaltet immer auch eine Konfrontation mit dem, was diese Dinge oder Erlebnisse zu angstbesetzten Auslösern gemacht hat. Hinter der Furcht vor weiten Plätzen, engen Fahrstühlen oder großer Höhe können

  • Gefühle der Unzulänglichkeit
  • unverarbeitete Traumata
  • erlernte Hilflosigkeit
  • Furcht vor Kontrollverlusten
  • Gefühle des Ausgeliefertseins
  • Furcht vor Versagen (Versagensangst)
  • eine Unfähigkeit, intime Beziehungen zuzulassen (vgl. Bindungsstörung)
  • latente Verlassensängste (vgl. Verlustangst)
  • Lebensängste und Lebenslügen
  • Todesangst
  • oder elementare Sinnfragen

verborgen sein. Auch mit diesen muss der Betroffene die Konfrontation suchen. Der Therapeut begleitet den Betroffenen dabei, sich den Auslösern und den Symptomen, die durch die seelischen Konflikte entstanden sind, zu stellen.

Raus aus der Komfortzone! - Durch das mit Ängsten verbundene Vermeidungsverhalten wird die persönliche Komfortzone mit der Zeit immer kleiner - und mithin der Aktionsspielraum im persönlichen Leben. Wer es schafft, sich seinen Ängsten zu stellen - notfalls durch eine geführte Konfrontationstherapie im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung - wird sein Leben danach freier und reicher erLEBEN (© Akshar / Fotolia)
Raus aus der Komfortzone! – Durch das mit Ängsten verbundene Vermeidungsverhalten wird die persönliche Komfortzone mit der Zeit immer kleiner – und mithin der Aktionsspielraum im persönlichen Leben. Wer es schafft, sich seinen Ängsten zu stellen – notfalls durch eine geführte Konfrontationstherapie im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung – wird sein Leben danach freier und reicher erLEBEN (© Akshar / Fotolia)

Die Behandlung ist nur dann erfolgreich, wenn die Betroffenen mit aller Konsequenz den Mut aufbringen, sich ihren Problemen zu stellen. Die vorliegende Phobie ist quasi zum Leitsymbol und Anzeiger aller verdrängten Konflikte und unerkannten Probleme geworden. Im Rahmen der Behandlung hilft es den Betroffenen nicht, an der Oberfläche der Probleme zu bleiben. Erst wenn die Ursachen der Angstprobleme gefunden und aufgelöst werden, kann der Patient in ein angstbefreites Leben entlassen werden. Die Angst wurde wieder an den Platz gerückt, wo sie hingehört: auf ein normales Maß.


Fazit: Angstsituationen gehören zum Leben, die Konfrontation mit diesen Ängsten gehört (meist) zur Lösung des Problems

Die Frage ist letztlich, wie wir mit der Furcht, die ja ein sinnvoller Schutz-Mechanismus ist, umgehen. Wenn die angstbesetzten Situationen einen Menschen voll im Griff haben, ist die Situation entgleist. Der betroffene Mensch steckt in einer immer enger werdenden Angstspirale fest. Aus dieser weist oft nur eine Verhaltenstherapie den Ausweg (Wie lange dauert eine Verhaltenstherapie?). Im Rahmen der Behandlung erkennen die Betroffenen Sinn und Zweck ihrer körperlichen Reaktionen. Sie können die Ursachen ihrer Phobie im geschützten Raum betrachten und im Rahmen eines Konfrontationstrainings eine sinnvollere Umgangsweise damit einüben. Durch die bewusste Exposition und das Flooding wird die Reaktion auf das angstbesetzte Objekt entschärft (systematische Desensibilisierung).

Die Übungen, die der Betroffene mit nach Hause nimmt, vertiefen den Trainingseffekt (vgl. Angstbewältigungstraining). Spinnen können nun als harmlos erkannt werden. Die Agoraphobie und die Platzangst schwinden. Die Panikattacken fallen nicht mehr so schwer aus. Sie können mit geeigneten Strategien und Übungen bewältigt werden. Der Patient lernt durch das Konfrontationstraining, dass Reizüberflutung und Konfrontation eine Änderung bewirken. In bisherigen Angstsituationen ist kein Vermeidungsverhalten mehr notwendig.

Leichte Panikstörungen können ohne eine Psychotherapie bewältigt werden. Doch bei anhaltenden Problemen und schweren Panikstörungen mit Herzrasen, Atemnot und sozialem Rückzug ist eine Psychotherapie unumgänglich. Gegebenenfalls sollten die Betroffenen sich an eine psychosomatische Klinik wenden (siehe psychosomatische Kliniken). Hier gibt es entsprechende Programme. Die Expositionstherapie kann hier umfassend behandelt werden. Zudem lernen die Betroffenen, dass sie mit solchen Problemen nicht alleine sind. Zusammen mit anderen lassen sich alle Probleme besser bewältigen.

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