Dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung | Was kennzeichnet Dissozialität und antisoziales Verhalten? (© Innovated Captures / stock.adobe.com)

Dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung | Was kennzeichnet Dissozialität und antisoziales Verhalten?

In der Psychiatrie und Psychologie werden 11 verschiedene Persönlichkeitsstile unterschieden. Sind einzelne Persönlichkeitsstile sehr ausgeprägt, weichen sie deutlich von der Norm ab und belasten sie die Betroffenen selbst und/oder die Umwelt erheblich, spricht man von einer Persönlichkeitsstörung. Gesellschaftlich am problematischsten ist dabei die antisoziale Persönlichkeitsstörung respektive dissoziale Persönlichkeitsstörung.

Wir wollen Ihnen im Folgenden einen Überblick geben, welche Merkmale die antisoziale Persönlichkeitsstörung ausmachen, wie die Diagnose gestellt werden kann und welche Behandlungsformen man bisher kennt.

Merkmale und „Symptome“ der antisozialen Persönlichkeitsstörung

Die beiden weltweit wichtigsten medizinischen Klassifikationssysteme, das DSM (Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders, USA) und das ICD-10 (International Classification of Deseases, WHO) sind bei der Definition der dissozialen Persönlichkeitsstörung nicht ganz deckungsgleich.

Das DSM schreibt vor, dass für die Stellung der Diagnose mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:

  • Missachtung von gesellschaftlichen Normen und Gesetzen, wiederholte Straffälligkeit
  • Lügen und Betrügen, um einen persönlichen Vorteil zu gewinnen oder zum eigenen Vergnügen
  • Impulsivität und mangelndes Vermögen, vorausschauend zu planen, außerdem Reizbarkeit und Aggressivität, wiederholte Schlägereien oder Überfälle
  • Missachtung der eigenen Sicherheit und der Sicherheit anderer, erhöhte Risikobereitschaft
  • Verantwortungslosigkeit, Unfähigkeit, dauerhaft einen Beruf auszuüben oder finanziellen Verpflichtungen nachzukommen
  • Unfähigkeit, Reue zu empfinden oder das eigene Fehlverhalten einzusehen

Im DSM liegt der Schwerpunkt der Definition für die Dissoziale Persönlichkeitsstörung demnach auf kriminellem Handeln und Gesetzesübertretungen.

Zur Begriffsklärung bzw. Definition: Unter Dissozialität wird nicht unbedingt die dissoziale Persönlichkeitsstörung verstanden. Dissozialität meint und beschreibt im Grunde genommen soziale Devianz, also Straffälligkeit. Jedoch geht antisoziales Verhalten sehr häufig mit Dissozialität einher. Im Folgenden soll vereinfacht von Dissozialität gesprochen werden.

Das ICD-10 hingegen definiert die antisoziale Persönlichkeitsstörung wie folgt:

  • mangelndes Einfühlungsvermögen, mangelnde Empathie
  • Missachtung sozialer Normen
  • Schwierigkeiten, Beziehungen und Bindungen einzugehen und diese aufrecht zu halten
  • niedrige Frustrationstoleranz, Impulsivität und Aggressivität
  • kaum oder keine Schuldgefühle, Unfähigkeit, aus Strafen zu lernen (soziales Lernen)
  • Rationalisierung des eigenen Fehlverhaltens, Schuldzuweisungen an andere
  • Reizbarkeit

Es ist deutlich, dass diese Definition der Dissozialität den Charakter der Betroffenen in den Fokus rückt: Dies umfasst das Erleben, Handeln und somit die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen. Der Ausdruck „Symptom“ ist hier also nicht der richtige Begriff, vielmehr spricht man dissozialem Verhalten von Merkmalen.

  • therapie.de/psyche/info/index/diagnose/persoenlichkeitsstoerungen/antisozial/

Will man beide Definitionen auf einen Nenner bringen, lässt sich festhalten, dass

  • dissoziales Verhalten mit einer fundamentalen Missachtung der Rechte anderer einhergeht,
  • während den Betroffenen die Angst vor möglichen Konsequenzen und jegliches Mitgefühl fehlt.

Dissozialität beschreibt somit vor allem eine Form des Sozialverhaltens, bei dem andere rücksichtslos und mitleidslos geschädigt werden und die Täter kaum oder keine Schuldeinsicht zeigen.



Dissoziale Persönlichkeitsstörung – Ein interessanter Fakt:

Wer antisoziales Verhalten nun nur im kriminellen Milieu vermutet, der täuscht sich: Neuere Studien legen nahe, dass auf der Ebene des oberen Managements überdurchschnittlich oft dissoziales Verhalten vorgefunden werden kann. Der Grund hierfür ist, dass rücksichtsloses, eigennütziges, unempathisches Verhalten hier mit beruflichem und materiellem Erfolg belohnt wird. Solche Charaktere gelten als duchsetzungs- und willensstark. Die Anzahl an dissozialen Charakteren wird bei Managern auf rund 20 Prozent beziffert. Der Grund hierfür ist, dass auch Menschen, die dissoziales Verhalten zeigen, gut sozialisiert sein können, indem sie eine gute Ausbildung genießen und aufgrund des Elternhauses einen besseren Zugang zu materiellen Ressourcen haben. Menschen mit antisozialem Verhalten, die einen solchen biographischen Hintergrund haben, sind deswegen oft beruflich erfolgreich, während dissoziale Charaktere aus sozial schwächeren, zerrütteten Elternhäusern häufig eine kriminelle Laufbahn einschlagen und im Gefängnis landen. (Quelle: focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/krankheitenstoerungen/tid-30798/best-of-playboy-psychopathen-test-das-tier-in-mir-ab-in-die-roehre-der-psychopathen-test_aid_969957.html)

Eine besonders schwere Form der antisozialen Persönlichkeitsstörung wird in der Psychologie als Psychopathie bezeichnet. Fälle wie der des Serienmörders Ted Bundy oder „Hannibal Lector“ aus dem Film „Die Schweigen der Lämmer“ sind zwar spektakulär, jedoch selten.

Wie häufig kommt dissoziales Verhalten / Dissozialität im Sinne einer Persönlichkeitsstörung nun in der Bevölkerung vor? Schätzungen belaufen sich auf zwischen ein bis vier Prozent der Bevölkerung, wobei deutlich mehr Männer als Frauen betroffen sind. Wichtig ist festzuhalten, dass auch antisoziale Charaktere sehr gut angepasst und erfolgreich sein können, während Serienmörder etc. selten sind.


Persönlichkeitsstörungen vom Grundsatz her verstehen


Dissoziales Verhalten – Ein Fallbeispiel

Möglicherweise wirken diese Definitionen zu abstrakt. Zur näheren Veranschaulichung finden Sie hier ein Fallbeispiel.

Die US-amerikanische Psychologin und Autorin Martha Stout beschreibt in ihrem lesenwerten Buch „Der Soziopath von nebenan“ eindrücklich viele Beispiele antisozialen Verhaltens, die sie in ihrer jahrzehntelangen Praxis als Psychotherapeutin gesammelt hat.

  • So erzählt sie etwa die Geschichte von Doreen, die sich mit einem gefälschten Abschluss in Psychologie eine Stelle als Therapeutin in einer psychiatrischen Klinik erschleicht. Doreen hat keine Skrupel, einen hilflosen Patienten, der sich in der Genesungsphase befindet, mithilfe einer dreisten Lüge zurück in eine tiefe seelische Krise zu befördern – lediglich weil sie neidisch ist, dass eine Kollegin so einen großen Behandlungserfolg bei diesem schwierigen Patienten aufweisen kann.
  • Eine andere Anekdote über Doreen weiß die Autorin zu berichten, als diese sich aus Langeweile einen kleinen Mops zulegt. Als sie seiner überdrüssig wird, „entsorgt“ sie ihn einfach.
  • Trotz ihrer Kaltschnäuzigkeit ist Doreen in der Lage, die meisten Menschen in ihrer Umgebung um den Finger zu wickeln und sich das Image der hart arbeitenden, mitfühlenden Psychotherapeutin zuzulegen. Als ihre skrupellosen Machenschaften in der psychiatrischen Klinik zulasten von Patienten und Kollegen doch eines Tages auffliegen, kommt sie dennoch davon: Da sie ihren Vorgesetzten mit erotischen Gefälligkeiten zu Diensten war, lassen diese sie einfach gehen, ohne eine Strafverfolgung anzuregen. Der Fall „Doreen“ wird vertuscht. Doreen sucht sich daraufhin eine Stelle in einer neuen Klinik in einem anderen Bundesstaat unter einem anderen Namen.

Doch wie die Autorin schreibt, hat Doreen aufgrund ihrer Gewissenlosigkeit und Manipulationskunst zwar zunächst einen Vorteil gegenüber ihrer ahnungslosen Umwelt, doch die ausgewiesene Psychopathin hat zwei große Probleme: Die gähnende Leere und Langeweile in ihrem Innern, die immer größer wird und die sie durch Machtspiele nur für kurze Zeit vertreiben kann, und ihr steigendes Lebensalter. Mit steigendem Alter verliert sie an Attraktivität, während sie nicht in der Lage ist, tragfähige, langfristige emotionale Bindungen einzugehen. Und so endet ein antisozialer Charakter und Dissozialität meist am Ende seines Lebens verbittert, gealtert und alleine.

Quelle: heise.de/tr/artikel/Wo-andere-ein-Gewissen-haben-ist-da-nichts-279417.html


Handbuch Antisoziale Persönlichkeitsstörung - eines der wenigen Fachbücher, die explizit auf die dissoziale Persönlichkeitsstörung und dissoziales Verhalten eingehen (Amazon)
Handbuch Antisoziale Persönlichkeitsstörung – eines der wenigen Fachbücher, die explizit auf die dissoziale Persönlichkeitsstörung und dissoziales Verhalten eingehen (Amazon)

Diagnose der antisozialen Persönlichkeitsstörung

Dissoziales Verhalten kann aufgrund bestimmter Tests festgestellt werden.

  • Der US-amerikanische Psychiater Robert D. Hare gehört zu den Pionieren in dieser Hinsicht. Er war der erste, der eine sogenannte Psychopathie-Checkliste entwickelt hat. Dabei handelt es sich um einen Persönlichkeitstest, der insgesamt bis zu einer Skala von 40 Punkten reicht. Wer mehr als 25 Punkte auf der Psychopathie-Checkliste erreicht, ist dieser Definition nach ein Psychopath. Abgefragt werden dabei verschiedene Verhaltensweisen, insbesondere das Sozialverhalten. Der Test gilt als zuverlässig und schwer auszutricksen. Jedoch kommt es äußerst selten vor, dass jemand die volle Punktzahl auf der Psychopathie-Checkliste erreicht. (Quelle: gedankenwelt.de/die-psychopathie-checkliste-von-robert-hare)

Dennoch musste man feststellen, dass auch der umfangreiche Persönlichkeitstest in den Händen unfähiger Gutachter und Therapeuten zum Problem werden kann. Wird jemand etwa fälschlicherweise mit einem solchen Test als Psychopath klassifiziert, hat er enorme Schwierigkeiten, aus dem System des Maßregelvollzugs wieder zu entkommen. Sämtliche Bemühungen des Betroffenen können dergestalt interpretiert werden, dass antisoziales Verhalten mit einem oberflächlichen Charme einhergeht und Psychopathen deswegen beispielsweise in der Lage sind, auch die besten Fachleute zu betrügen. Da ihnen deswegen nichts geglaubt wird, haben Betroffene im Grunde genommen dann keine Chance, unter Beweis zu stellen, dass der Test fehlerhaft war bzw. sie Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und aus ihren Fehlern gelernt haben. Die Akten wandern oft von Hand zu Hand und es stellt sich die Frage, ob sich ein neuer Gutachter die Mühe macht, sich unvoreingenommen und intensiv mit dem Betroffenen auseinanderzusetzen und einen neuen Test anzuberaumen. Im Maßregelvollzug kommt es deswegen immer wieder zu Skandalen, wobei der Fall Gustl Mollath ein sehr prominentes Beispiel ist.

Deswegen war man auf der Suche nach Alternativen, um zuverlässige Diagnose zu stellen – und hat sie auch gefunden.

Inzwischen stehen viel versprechende bildgebende Verfahren zur Verfügung. Charakteristischerweise unterscheidet sich das Gehirn von Menschen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung von dem anderer Menschen. Aber:

Wie können bildgebende Verfahren dabei hilfreich sein festzustellen, ob jemand antisozial ist?

Bei den Betroffenen wird untersucht, wie aktiv bestimmte Hirnareale sind, die für Emotionen zuständig sind. Interessanterweise lässt sich feststellen, dass bei Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung Impulse, die bei anderen Angst, Trauer etc. auslösen würden, keine Reaktion hervorrufen. Im Gegensatz dazu lösen Personen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung Begriffe wie „Liebe“ offensichtlich wie eine mathematische Aufgabe, ohne die entsprechenden Gefühle dabei zu empfinden. Das lässt sich daran ersehen, welche Hirnareale bei der Setzung bestimmter Reize (zum Beispiel, wenn Bilder eines Kühlschranks oder eines Unfallopfers gezeigt werden) aktiv werden.

Dies weist darauf hin, dass antisoziales Verhalten zwar mit der Eigenschaft einhergeht, zu lernen, dass andere Menschen solche Gefühle haben und wie man sie aufgrund dessen am besten manipulieren kann, jedoch weisen Menschen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung eine Unfähigkeit auf, diese Gefühle selbst zu empfinden.

Quelle: aerztezeitung.de/Medizin/Psychopathen-Test-per-MRT-282441.html

Ursachen von krankhafter Dissozialität

Es sind bereits viele mögliche Ursachen von antisozialem Verhalten diskutiert worden.

Nach derzeitigem Kenntnisstand scheint eine Kombination aus genetischen, biologischen, sozialen und biographischen Faktoren die plausibelste Erklärung zu sein. Auffälligerweise erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Kindes, eine dissoziale Persönlichkeitsstörung zu entwickeln, deutlich, wenn ein oder beide Elternteile ebenfalls antisoziales Verhalten zeigen. Der Einfluss genetischer Faktoren wird deswegen derzeit auf ungefähr 60 Prozent beziffert.

Jedoch haben Personen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung sehr häufig Missbrauch, Misshandlung und/oder Vernachlässigung in der Kindheit erlebt. Insofern stellt sich die Frage, ob frühkindliche Traumata für das Störungsbild verantwortlich sind, ob Betroffene das Rollenmodell eines oder beider Elternteile übernommen und von ihnen bestimmte Verhaltensweisen „gelernt“ haben oder ob eine genetische Variation der Grund hierfür ist.

Für einen erheblichen Einfluss der Gene lässt sich ins Feld führen, dass nicht alle Kinder, die Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung in der Kindheit erfahren, zu dissozialen Charakteren werden. Gehirne von Menschen mit dissozialer Persönlichkeitssörung unterscheiden sich von Gehirnen anderer Menschen, wie bereits aufgezeigt wurde.

Abschließend lässt sich diese Frage derzeit deswegen (noch) nicht beantworten.

Behandlung dissozialen Verhaltens

Charakteristischerweise weisen Menschen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung keinen Leidensdruck auf. Das unterscheidet sie von allen anderen Persönlichkeitsstörungen und psychischen Krankheiten. Insofern ist es unwahrscheinlich, dass ein Betroffener mit dissozialer Persönlichkeitsstörung von selbst in Therapie kommt. Deswegen kann auch schwerlich von „Symptomen“ wie bei anderen Krankheiten gesprochen werden. Aus Sicht eines Psychopathen beispielsweise ist nicht er selbst das Problem, sondern die Umwelt.

Wenn Dissozialität behandelt wird, dann in der Regel dann, wenn der Betroffene straffällig geworden ist, beispielsweise im Rahmen der forensischen Psychiatrie – psychiatrische Einrichtungen für psychisch kranke Straftäter. Ein anderer Ausdruck für die forensische Psychiatrie ist Maßregelvollzug.

Da die antisoziale Persönlichkeitsstörung mit einem Mangel an Gewissen und Empathie einhergeht, ist die Therapie und der Umgang mit den Betroffenen denkbar schwierig. Das einzige Mittel hierbei ist die Psychotherapie, während Pharmakotherapie kaum oder keine Veränderungen bewirkt.

Doch wie will man jemanden verändern, der kein Gewissen hat, der zwar bestimmte Charaktermerkmale aufweist, jedoch keine „Symptome“ im engeren Sinne? Die einzige Möglichkeit besteht darin, das Sozialverhalten zu trainieren: Wenn du A tust, dann hat dies B zur Folge. Ein Beispiel kann dies veranschaulichen:

  • Ein Fahrschullehrer, der mit Delinquenten befasst war, die mit Alkohol am Steuer erwischt wurden, versuchte zunächst darzulegen, was für einen immensen Schaden die Täter bei den Opfern durch ihr verantwortungsloses Verhalten verursachen können. Schließlich musste er einsehen, dass seine Appelle an Mitgefühl und Verantwortung in der Regel fehlschlugen. Daraufhin entwickelte er eine andere Taktik, indem er den Teilnehmern vor Augen führte, welche Konsequenzen ihr Verhalten für sie selbst haben kann: Wer mit Alkohol am Steuer erwischt wird, dem wird der Führerschein weggenommen, er ist deswegen weniger mobil, wandert womöglich ins Gefängnis etc. Und siehe da: Mit diesen Ausführungen bezüglich der unmittelbaren Konsequenzen für die Täter hatte er deutlich mehr Erfolg mit seinen Unterweisungen.

Seit einigen Jahren wird außerdem die von Jeffrey Young in den 1990er-Jahren entwickelte Schematherapie auch im forensischen Bereich angewandt, wobei die Niederlande hier eine Vorreiterrolle einnahmen. Unter Schemata werden dabei Verhaltensmuster verstanden, die in der Kindheit entstanden sind und ursprünglich der Befriedigung von Grundbedürfnissen des Kindes dienten und zunächst überlebensnotwendig waren. Jedoch erfüllen sie diese Funktion im Erwachsenenleben nicht mehr und führen dazu, dass es zu Konflikten mit der Umwelt kommt. Um Schemata zu erkennen, können Fragebögen bearbeitet werden und Patienten beispielsweise danach befragt werden, in welchen Situationen in ihrem Leben sie sehr starke unangenehme Gefühle hatten. Oft lassen sich diese negativen Gefühle nicht mit der spezifischen Situation erklären, sondern gehen auf Schemata in der Kindheit zurück, die durch die Auslösesituation aktiviert werden (vgl. Angst vor sozialer Interaktion). Indem sich der Patient dieser Schemata bewusst wird, kann er mithilfe eines Therapeuten daran arbeiten, diese aufzulösen und durch bessere, gesündere Verhaltensmuster zu ersetzen.

Eine systematische Schematherapie und Therapeuten, die einerseits Halt und Struktur geben und andererseits klare Grenzen aufzeigen, diese Kombination scheint derzeit die erfolgversprechendste Variante der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen à la Dissozialität zu sein.

Da sich antisoziales Verhalten schon vor dem 15. Lebensjahr entwickelt, stellt sich die Frage nach einer Kinderpsychotherapie bei auffälligen Kindern. Dabei ist zu klären, ob es sich tatsächlich um dissoziale Verhaltensweisen handelt oder ob die Ursachen ganz andere sind. Eltern haben typischerweise große Schwierigkeiten im Umgang mit solchen Kindern. Ebenso haben diese Kinder schon sehr zeitig Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Kindern und mit Autoritäten wie Lehrern.

Zu den verschiedenen Formen der Psychotherapie siehe: Verhaltenstherapie vs. tiefenpsychologische Psychotherapie.

Die gesellschaftliche Dimension antisozialen Verhaltens

Es wurde bereits eingangs erwähnt, dass dissoziales Verhalten diejenige psychische Störung ist, die gesamtgesellschaftlich betrachtet den größten Schaden anrichtet. Aufgrund des bisher Gesagten dürfte dies deutlich geworden sein.

Wie hoch alleine in Deutschland der wirtschaftliche Schaden ausgelöst durch extrem risikofreudige, skrupellose, verantwortungslose Manager ist, lässt sich nicht einmal schätzen – um nur ein Beispiel zu nennen. Zieht man in Betracht, dass rund ein bis vier Prozent der Bevölkerung von dieser Störung betroffen sind, lässt sich dieses Gedankenspiel leicht fortsetzen. Hier finden Sie einen Ausschnitt, in welchen Bereichen Menschen mit antisozialem Verhalten Schäden anrichten:

  • psychische Schäden und Traumata: Dies ist wohl der wichtigste Bereich, der sich gleichzeitig am wenigsten genau in Zahlen fassen lässt. Man kann zwar bei dissozialem Verhalten nicht von „Symptomen“ sprechen, jedoch verursachen die Betroffenen bei anderen Menschen Symptome im Sinne von psychischen Beschwerden.
  • Gewaltdelikte und Gewaltverbrechen
  • Diebstahl, Betrug, Hochstapelei
  • Drogenkonsum, beispielsweise Alkohol und Drogen am Steuer, überhöhte Geschwindigkeit aufgrund ausgeprägter Risikofreudigkeit

Wenngleich auch bei den Betroffenen nicht unbedingt von „Symptomen“ wie bei anderen psychischen Störungen gesprochen werden kann, so wird anhand dieser kurzen Liste bereits deutlich, dass Menschen mit dissozialem Verhalten einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Insbesondere richten sie Schaden im Umgang mit anderen Menschen an. Insofern wäre es sinnvoll, diesem Thema deutlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen als bislang.


Dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung | Was kennzeichnet Dissozialität und antisoziales Verhalten? (© Innovated Captures / stock.adobe.com)
Dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung | Was kennzeichnet Dissozialität und antisoziales Verhalten? (© Innovated Captures / stock.adobe.com)

Siehe auch:

Ängste, Phobien, Panikattacken > Angststörungen und Angsterkrankungen