Dependente / abhängige / asthenische Persönlichkeitsstörung (© marjan4782 / stock.adobe.com)

Abhängige / dependente / asthenische Persönlichkeitsstörung

Die abhängige Persönlichkeitsstörung, auch dependente oder asthenische Persönlichkeitsstörung genannt, ist eine der 8 vom ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) definierten Persönlichkeitsstörungen. Dort beschrieben ist sie folgendermaßen:

„Personen mit dieser Persönlichkeitsstörung verlassen sich bei kleineren oder größeren Lebensentscheidungen passiv auf andere Menschen. Die Störung ist ferner durch große Trennungsangst, Gefühle von Hilflosigkeit und Inkompetenz, durch eine Neigung, sich den Wünschen älterer und anderer unterzuordnen sowie durch ein Versagen gegenüber den Anforderungen des täglichen Lebens gekennzeichnet. Die Kraftlosigkeit kann sich im intellektuellen emotionalen Bereich zeigen; bei Schwierigkeiten besteht die Tendenz, die Verantwortung anderen zuzuschieben.“
(ICD-10, Version 2018)

Wenn Sie glauben, sich oder einen Menschen in Ihrem Leben in dieser kurzen Zusammenfassung wiederzuerkennen, finden Sie im Folgenden detailliertere Informationen über die Diagnose, Eigenschaften, Ursachen und Behandlung (Therapie) dieser Störung.

Die abhängige Persönlichkeitsstörung erkennen

Bei der Diagnose einer abhängigen/ asthenischen/dependenten Persönlichkeitsstörung ist es wichtig, eine gewisse Vorsicht walten zu lassen: Faktoren wie Alter, Lebenssituation und körperliche oder mentale Einschränkungen können im Leben eines Menschen zu temporären oder andauernden Abhängigkeitsverhältnissen führen, ohne dass die Person selbst dies beeinflussen kann.

So könnte man zum Beispiel bei einem Kind, das von seinen Eltern abhängig ist, einer verletzten oder behinderten Person, die Betreuung benötigt, oder jemandem, der aufgrund von unerwarteten äußeren Umständen (z.B . Verlust von Beruf, Partner oder Zuhause) auf Hilfe angewiesen ist, sicher viele Merkmale zur Bestimmung einer abhängigen Persönlichkeitsstörung erkennen, ohne dass dies die Situation korrekt erfassen kann.

Erst wenn die Abhängigkeit von anderen Personen nicht nur gelegenheits- oder situationsbedingt, sondern vom Betroffenen wiederholt direkt herbeigeführt oder gesucht wird, kann von einer abhängigen Persönlichkeitsstörung gesprochen werden.

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Die 6 Merkmale einer abhängigen Persönlichkeitsstörung

Der abhängigen Persönlichkeitsstörung werden in der Psychologie insgesamt 6 Charakteristika zugeordnet, von denen mindestens 3 zutreffen sollten, um sie korrekt diagnostizieren zu können. Natürlich ist dies nur ein Instrument zur wissenschaftlichen Standardisierung, und sollte somit vor allem als Richtlinie, aber nicht als alleiniger Maßstab genutzt werden. Schließlich kann, wie bereits erwähnt, eine temporäre Abhängigkeitssituation dazu führen, dass diese Punkte erfüllt werden, ohne dass dies notwendigerweise etwas über die Persönlichkeit des Betroffenen aussagt.

  1. Bei wichtigen Lebensentscheidungen wird die Hilfe anderer gesucht, oder die Entscheidung gleich vollständig abgegeben. Eigene Entscheidungen zu treffen fällt der Person extrem schwer, und wird deshalb wann immer möglich vermieden.
  2. Eigene Bedürfnisse werden denen der Bezugsperson untergeordnet und auf die Wünsche der Person, zu der eine Abhängigkeit besteht, wird unverhältnismäßig nachgiebig reagiert.
  3. Aus Angst davor, die Bezugsperson zu verärgern und deshalb zu verlieren, traut sich der/die Betroffene oft nicht, die eigenen Wünsche zu äußern, geschweige denn durchzusetzen.
  4. Angst vorm Alleinsein, weil sich der/die Betroffene nicht zutraut, sich selbst um sich zu kümmern und sich zu schützen.
  5. Angst davor, von der Bezugsperson verlassen zu werden und sofortige Suche nach Ersatz, falls dies eintritt.
  6. Probleme beim Fällen von Alltagsentscheidungen, wenn keine Ratschläge und Bestätigung von außen verfügbar sind.

Die dependente Persönlichkeitsstörung in Beziehungen

Nicht immer, aber doch häufig, suchen sich Personen, die unter einer abhängigen / dependenten / asthenischen Persönlichkeitsstörung leiden, einen romantischen Partner als Bezugsperson aus. Gerade in Liebesbeziehungen ist eine starke Bindung an sich nichts ungewöhnliches, und die starke Fixierung auf und das Interesse am Partner/an der Partnerin kann zunächst schmeichelhaft auf ihn oder sie wirken.

Einmal in der Beziehung, versucht die abhängige Person aus Angst vor einer Trennung (und damit verbundener Trennungsschmerzen), ihn oder sie mit verschiedenen Strategien möglichst eng an sich zu binden.

  • Eine dieser Strategien ist der Versuch, sich durch unterwürfiges Verhalten unentbehrlich zu machen: Die dependente Person übernimmt Aufgaben des Anderen, sogar solche, die sie selbst als unangenehm empfindet, unterstützt ihn nach Kräften und liest ihm jeden Wunsch von den Lippen ab.
  • Die zweite Strategie ist hingegen ein Appell an den Beschützerinstinkt des Partners: Die abhängige Person macht deutlich, wie hilflos sie ohne den Partner ist und wie sehr sie seine Betätigung und Unterstützung benötigt.
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Auffällig häufig gehen Personen mit einer dependenten Persönlichkeitsstörung Beziehungen zu Partnern mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung ein (siehe Borderline kurz erklärt), was diese zu einer sogenannten Komplementärstörung macht. Sie zeichnet sich unter anderem durch ein ähnlich starkes Bedürfnis nach Nähe und Sicherheit aus, ist aber im Gegensatz zur asthenischen Persönlichkeitsstörung nicht von dem Problem damit geprägt, die eigenen Bedürfnisse geltend zu machen. Da Borderliner sich häufig von ihrem letzten Partner schlecht behandelt und verraten fühlen, nimmt die abhängige Person hier die Rolle des Tröstenden ein und versucht so, ihn an sich zu binden. Da das anfängliche Nähebedürfnis des Borderliners schnell ins Gegenteil umschlägt, ist diese Symbiose aber keine erfolgversprechende: Je größer die Verlustängste des Abhängigen, desto mehr wird er sich bemühen, dem Borderliner zu gefallen, der sich sich genau davon erdrückt und abgeschreckt fühlen wird.

Grundsätzlich ist es für eine Person mit dependenter Persönlichkeitsstörung schwierig, eine Trennung hinzunehmen, selbst dann, wenn der Partner sie schlecht behandelt hat. Das Bedürfnis nach Sicherheit und einer festen Bezugsperson ist so groß, dass für eine dependente Person selbst körperliche Gewalt der Trennung vorzuziehen ist. Gerade dieses Klammerverhalten schreckt im Umkehrschluss aber auch viele Menschen mit der Zeit eher ab. Siehe u.a. auch: grenzwandler.org/komplementaerstoerung_abhangige_persoenlichkeitsstoerung_f60-7/

Ursachen für die asthenische Persönlichkeitsstörung

Die Ursachen der asthenischen Persönlichkeitsstörung sind, wie bei allen Persönlichkeitsstörungen, üblicherweise in der Kindheit verwurzelt. Gerade besonders liebevolle und überbehütende Eltern, die, weil sie ihr Kind vor der Welt schützen wollen, ihm keinerlei Gelegenheit bieten, eigene Erfahrungen zu sammeln, führen dazu, dass das Kind nicht lernt, allein zurechtzukommen.

Wegen des überbehütenden Verhaltens der Eltern gibt es keinen Raum für Fehler, aus denen das Kind lernen kann, dass es mit den jeweiligen Konsequenzen zurechtkommen kann. So ist das Entwickeln eines gesunden Selbstvertrauens (vgl. mangelndes Selbstvertrauen) und einer starken Persönlichkeit im Verlaufe des Erwachsenwerdens eingeschränkt.

Diese Entwicklung ist allerdings keineswegs monokausal: Nicht jedes Kind, das so aufwächst, muss deswegen automatisch eine Störung entwickeln, und nicht jeder Erwachsene, der unter einer dependenten Persönlichkeitsstörung leidet, hat genau diese Geschichte.

Was tun gegen eine abhängige Persönlichkeitsstörung?

Üblicherweise sind Persönlichkeitsstörungen den darunter leidenden Personen zunächst gar nicht bewusst. Ein in der Kindheit erlerntes und seitdem immer wieder bestätigtes Verhaltensmuster ist genau so Teil ihrer Persönlichkeit geworden, wie dies bei jedem von uns passiert. Dementsprechend schwierig kann es sein, diese Verhaltensmuster zu durchbrechen. Unmöglich ist es aber nicht: Mit dem richtigen Psychotherapeuten (siehe Arten von Psychotherapeuten), der sich mit Persönlichkeitsstörungen auskennt, können durch die Psychotherapie (v.a. durch Verhaltenstherapie; siehe Was macht ein Verhaltenstherapeut) Wege und Übungen gefunden werden, das gestörten Verhalten durch ein anderes zu ersetzen und die eigenen Bedürfnisse ehrlich zu kommunizieren.

In der Verhaltenstherapie, einer Disziplin bzw. Methodik der Psychotherapie, werden gemeinsam mit dem Patienten die Gründe für gestörte Verhaltensmuster ermittelt, und dann durch wiederholte Übungen in sozialen Situationen alternative Muster aufgebaut und gefestigt.

Die kognitive Verhaltenstherapie geht davon aus, dass ein immer wieder mit Erfolg erprobtes neues Verhalten auch bei Erwachsenen eine dauerhafte Verhaltensänderung erzeugen kann.

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Das reine Ermitteln des Ursprungs des gestörten Verhaltens im Rahmen einer Psychoanalyse-Therapie kann zwar erleichternd sein, reicht aber zur Therapierung allein meist nicht aus: Bewusstsein über das Problem ist in der Psychologie immer nur ein Teil des Prozesses. Verhaltenstherapien setzen hier mit einem Fokus auf tatsächliches Lernen und Üben neuen Verhaltens an. Aber auch andere Formen und Verfahren sind in bestimmten Fällen möglicherweise hilfreich, siehe nur die Vielfalt rund um Hypnosetherapie, EMDR, Gruppentherapie-Sitzungen und mehr. Hier muss am Anfang genau abgewogen werden, was für wen wann Sinn macht.

Wenn die Bereitschaft zur langfristigen Arbeit mit einem geeigneten Therapeuten gegeben ist, kann in einer Therapie mit der abhängigen Person erfolgreich an deren Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gearbeitet werden.

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Quellen und weiterführende Ressourcen:

  • de.wikipedia.org/wiki/Internationale_statistische_Klassifikation_der_Krankheiten_und_verwandter_Gesundheitsprobleme
  • icd-code.de/suche/icd/code/F60.-.html?sp=Sabh%E4ngige%20pers%F6nlichkeitsst%F6rung

Ängste, Phobien, Panikattacken > Angststörungen und Angsterkrankungen